Seniorenpolitik – Bildung im und für das Alter – Digitalisierung
vom 17.03.2019 bis 19.03.2019
dbb Forum Siebengebirge
Am Sonntag, den 17.03.2019 begrüßte die Seniorenvorsitzende Christa Nicklas um 14:00 Uhr die 17 teilnehmenden Senioren/innen aus den verschiedenen Bundesländern. Herr Wilfried Rausch, der Seniorenvertreter für Rheinland Pfalz, informierte uns über den geplanten Besuch des Hauses der Geschichte in Bonn, zu dem wir um 14:30 Uhr aufbrachen. In diesem Museum konnten die Senioren/innen natürlich in Erinnerungen schwelgen. Hier wurde Alltagsgeschichte aus den 50er Jahren wieder lebendig, das Wirtschaftswunder mit den ersten Fernsehern und den Musiktruhen. Ein Hippie-Bulli zeugt vom Lebensgefühl der 68er-Generation. Aber auch die politische Entwicklung wird aufgezeigt: Teilung Deutschlands, Kalter Krieg, Mauerbau, Fall der Mauer, Wiedervereinigung.
Ein Aufriss der Geschichte muss natürlich auch die Gegenwart mit einschließen: die Einflüsse der Globalisierung auf das alltägliche Leben, die Lebensverhältnisse von Migranten in Deutschland, die Internationalisierung des Terrorismus sowie die aufkommende Digitalisierung.
„Ein Haus, dessen Besuch sich immer lohnt!“, war die einstimmige Meinung der Besucher. Wechselnde Ausstellungen und ein umfangreiches Veranstaltungs-programm ergänzen die Dauerausstellung und setzen neue Impulse. Im Anschluss war noch Zeit, um am Rheinufer auf dem Weg der Demokratie vorbei zu schlendern. Die verschiedenen Gebäude des ehemaligen Regierungsviertels erinnern an deutsche Demokratiegeschichte und verdeutlichen gleichzeitig den Strukturwandel der letzten Jahre.
Am folgenden Montagmorgen erwartete die Seminarteilnehmer/innen pünktlich um 9.00 Uhr die Referentin Nicola Röhricht von der Servicestelle „Digitalisierung und Bildung für ältere Menschen“ und Projektleiterin „Digitale Welt BAGSO (Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen e.V.). Als Einstimmung in die Thematik „Digitalisierung“ ging sie zunächst auf einige grundlegende Sachverhalte ein. „Warum lernen wir im Alter?“, „Wie lernen wir im Alter?“ und „Wie verändert sich das Gehirn?“ waren nur einige Fragen, die sie zum Einstieg in die Thematik aufriss. Wie Wissenschaftler nachgewiesen haben, ist in jedem Lebensalter Lernen möglich. Ein genereller Abbau kognitiver Fähigkeiten konnte nicht nachgewiesen werden, im Gegenteil: Die Plastizität des Gehirns bleibt auch im hohen Alter erhalten. Mit gezieltem Training können sogar noch neue Synapsen gebildet werden.
Durch Veränderungen des Gehirns können jedoch im höheren Erwachsenenalter auch Veränderungen beim Lernen auftreten. Die fluide Intelligenz, also z. B. die Schnelligkeit der Informationsverarbeitung, baut mit zunehmendem Alter ab, während die kristalline Intelligenz, die auf unseren Lebenserfahrungen und unseren erworbenen Bildungsprozessen basiert, stabil bleibt oder sogar weiter ansteigt. In der Geragogik, der wissenschaftlichen Disziplin zum Lernen im und für das Alter, wird reflektiert, wie den im Hinblick auf die kognitive Leistungsfähigkeit mit dem Älterwerden möglichen Gewinnen als auch Verlusten in einem Bildungsprozess begegnet werden können.
Für viele Menschen hat das Lernen auch im Alter noch eine große Bedeutung: Sie wollen nicht nur körperlich, sondern auch geistig fit bleiben, sie wollen so lange wie möglich selbstständig bleiben, sie wollen Gleichgesinnte kennenlernen um Teil der Gesellschaft zu sein und sie wollen sich weiterentwickeln. Sie können nun – im Gegensatz zum Berufsleben – Bildung und Lernen selbst gestalten und die Ziele und das Ergebnis selbst bestimmen. Man kann lernen, wann man will und so viel man will.
Nun macht die Digitalisierung vieler Lebensbereiche auch vor dem Alter nicht halt. Immer mehr Ämter, Institutionen, Vereine, Verbände stellen von Formularen auf digitale Technik um. Diejenigen, die diese Technik nicht nutzen können, sind von vielen Möglichkeiten ausgeschlossen, z. T. auf Hilfe angewiesen. Es ist deshalb wichtig, diese neuen Entwicklungen in den Blick zu nehmen, damit Ältere Schritt halten können und nicht abgehängt werden. Prof. Dr. Dr. h.c. Ursula Lehr, Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit a.D., bringt dies in folgendem Satz zum Ausdruck: „Wir müssen nicht fragen: Sind die Älteren reif für das Internet? Wir müssen fragen: Ist das Internet reif für die Älteren?“
Der Umgang mit den digitalen Medien wie Computer, Tablet und Smartphone setzt einige Grundkenntnisse voraus. Das Internet stellt zwar für viele ältere Menschen eine gute Möglichkeit dar, auch im höheren Alter bei eingeschränkter Mobilität an sozialen Ereignissen teilzuhaben und die Unabhängigkeit in den eigenen vier Wänden zu bewahren, aber hier ist vor allem die fluide Intelligenz gefordert. Und das schreckt schon viele ältere Menschen ab. Die Entscheidung für die Nutzung der digitalen Medien beruht bei vielen deshalb oft auf einer Kosten-Nutzen-Abwägung: Nur wenn sie den Nutzen und den Sinn des Internets für sich sehen und den Mehrwert verstehen, setzen sie sich mit den neuen Möglichkeiten auseinander.
Einen ersten Zugang können Spiele wie DoppelTixx oder „Der Listenfischer“ sein, die das Gedächtnis trainieren (siehe Literaturverzeichnis am Ende!). Der Einstieg in die digitale Welt könnte über Google Maps, Tagesschau.de oder ZDF.de gelingen. Über Nebenan.de oder Feierabend.de können Kontakte über das Internet hergestellt werden. Für die Einführung und weitere Betreuung im Umgang mit digitalen Medien werden zahlreiche Möglichkeiten angeboten, von denen einige genannt werden sollen: Lernbegleiter, Smartphone-Cafés, unter „wissensdurstig.de“ sind 7.700 Veranstaltungen an 1.050 Orten in Deutschland genannt, 300 Volkshoch- schulen und 150 Senioren-Internet-Gruppen. Digitale Stammtische werden angeboten und Digital-Lotsen vor Ort kann man unter dem Digital-Kompass finden, ein Internet-Portal für Trainer, Lotsen, informelle Helfer, die ältere Menschen ans Internet heranführen und weiterhin begleiten (www.digital-kompass.de).
Im Rahmen des Projektes Digital-Kompass wurde auch eine Material-Fundgrube und eine Anleitung zum Thema „Digitaler Nachlass“ erstellt. Denn wer wissen möchte, was mit seinen digitalen Daten nach dem Tode passiert, sollte seinen digitalen Nachlass regeln.
Mit ihrem Vortrag hat Frau Nicklas eine umfassende Darstellung zu dieser Thematik geliefert. Die lebhafte Diskussion unter den Senioren zeigte, dass das Thema Digitalisierung auf sehr großes Interesse stieß. Ein „Wegweiser durch die digitale Welt“ wird Ende 2019 bei der BAGSO verfügbar sein.
Bernd Karst, Schulleiter an der Rochus-Realschule in Bingen, referierte am Nachmittag zu einem weiteren interessanten Thema:
Fake News statt Faktentreue, ein Phänomen mit gesellschaftlicher Relevanz. Er zeigte auf, wie Darstellungen nach der zu erreichenden Absicht manipuliert werden können, sei es im Alltag, in der Presse oder im Netz. Die Menschen sind anfällig für solche Fake News, vor allem dann, wenn die vermeintliche Nachricht ihre Vorurteile, Erwartungen oder ihr Weltbild bestätigt.
Bei Übungen und einem Fake-News-Quiz fiel es den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch nicht immer leicht, zwischen „Dichtung und Wahrheit“ zu unterscheiden. Sie mussten feststellen, dass schon ganz gezielt manipuliert wird. Aus diesem Grund ist die Erziehung zur Medienkompetenz in den Schulen eine enorm wichtige Aufgabe, denn: Die Prüfung von Nachrichten ist mit Hilfe eines geeigneten Instrumentariums möglich.
In die gleiche Kerbe schlug VDR-Bundesvorsitzender und stellvertretender dbb-Bundesvorsitzender Jürgen Böhm: „Wir brauchen eine Bildung mit digitalen Medien! Schüler/innen müssen über eine Medienkompetenz verfügen, die ihnen sagt, wie man mit digitalen Medien umgeht.“ Dazu ist es aber notwendig, dass die Lehrkräfte über ein Handlungsrepertoire verfügen. Nur dann könne in der Schule Medienbildung zukunftsorientiert erfolgen.
Am folgenden Dienstagmorgen stellte Saskia Tittgen, VRB-Bezirksvorsitzende aus Neustadt, die Jugendorganisation des dbb vor, die gleichzeitig in der Akademie tagte und sich dort neu gegründet hat. Dass sich nun neben den VDR-Frauen und den VDR-Senioren noch eine dritte Querschnittsorganisation gebildet hat, kommentierte Jürgen Böhm stolz mit den Worten: „Die Jugend ist auf dem Weg.“ Zum nächsten Treffen soll nun jeder Landesverband einen Vertreter (Delegierten) entsenden; Studenten, Lehramts-anwärter oder Lehrer/innen bis 35 Jahre sind herzlich willkommen. Auch ein Logo hat die dbb-Jugend entwickelt, welches ein Netzwerk zeigt, in das man die drei Querschnittsorganisationen integrieren kann.
Ein Erfahrungsaustausch über Bildungsangebote in den Landesverbänden schloss die interessante Tagung.
Mit einem Geschenk bedankten sich die Senioren bei der Veranstaltungsleiterin Christa Nicklas, die es immer wieder versteht, durch Auswahl aktueller Themen interessante Seminare zu gestalten.
Wolfgang Stelzer