Sozialrecht und Rente in Deutschland! – Die VDR-Senioren tagten in Königswinter

Vom 08. bis 10.03.2020 trafen sich 15 Vertreterinnen und Vertreter der VDR-Landesverbände aus Bayern, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Niedersachen, Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Hessen und Baden-Württemberg mit der Bundes-Senioren-Vorsitzenden Christa Nicklas und dem Bundesvorsitzenden des VDR Jürgen Böhm in der dbb-akademie Königswinter.

Die Veranstaltung startete – nach einer kurzen Begrüßungs- und Vorstellungsrunde – mit einer Busfahrt nach Bonn zum Besuch der Ausstellung „Beethoven Welt.Bürger.Musik“ samt Führung.

Zum 250. Geburtstag des großen Komponisten, Pianisten und Visionärs  Ludwig van Beethoven, der 22 Jahre in seiner Vaterstadt Bonn zugebracht hat, wurden den Teilnehmenden einzigartige Originalexponate und Porträts, die die Persönlichkeit des Genies vorstellen, präsentiert. Rund 70 seiner Kompositionen sind in Bonn entstanden. Er führte die Wiener Klassik zur höchsten Entwicklung und bereitete der Romantik-Musik ihren Weg. Originalinstrumente und Hörstationen ließen die Besichtigenden in die historische Klangwelt seiner Zeit eintauchen.

Der Tag klang am Abend bei einem hervorragenden Büffet in der Akademie und anregenden Gesprächen mit interessanten Neuigkeiten für Senioren/innen aus den einzelnen Bundesländern aus.

Den zweiten Seminartag begann die Bundes-Senioren-Vorsitzende Christa Nicklas mit der Feststellung, dass in Rente oder Pension gegangene Lehrkräfte im VDR  und seinen Tochterverbänden eine beachtliche Größe darstellen. Für deren Belange engagiert sich seit vielen Jahren mit großem Erfolg unsere Bundesbeauftragte des VDR Senioren Christa Nicklas.

Für das diesjährige Seminar konnte sie den Journalisten Dr. Oliver Kluxen und den Referenten für das Beamtenrecht im Deutschen Beamtenbund, Thilo Hommel, gewinnen.

Oliver Kluxen ging in seinen Beiträgen ausführlich auf die Entstehung und Geschichte der sozialen Sicherungssysteme seit Bismarckszeiten sowohl in der BRD als auch in der DDR ein.

Bismarck führte im dt. Kaiserreich ein: 1883 die Krankenversicherung, 1884 die Unfallversicherung und 1889 die gesetzliche Rentenversicherung.

An ausgewählten Beispielen verdeutlichte er, dass bei der Angleichung beider Systeme zwar Fehler gemacht wurden und Probleme ungelöst geblieben seien, dass jedoch das sog. Rentenüberleitungsgesetz RÜG  vom 25. Juli 1995 einen großen Wurf darstellte.

Weiter ging es mit den Strukturen des Sozialstaates und der Alterssicherung in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR.

In seiner Beschreibung vom Wesen eines Sozialstaates ging Kluxen von folgender Definition aus: „Ein Sozialstaat ist ein Staat, der in seinem Handeln soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit anstrebt, um die Teilhabe alle an den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen zu leisten“. Bezeichnend für ihn, den Sozialstaat, sei die konkrete Gesamtheit staatlicher Einrichtungen, Normen und Steuerungsmaßnahmen, um das Ziel zu erreichen, Lebensrisiken und soziale Folgewirkungen abzufedern.

Viele dieser aufgeführten Vorgaben finden sich in der Verfassung und  Sozialsystem der BRD wieder. Doch die sozialen Sicherungsstrukturen beider deutscher Staaten waren nicht ohne weiteres kompatibel. Die  DDR-Einkommen lagen mit ca. 600 Mark deutlich unter dem westdeutschen Durchschnitt. Auch gab es in der DDR keine Rentenkasse. Ferner gab es ein Sonderversorgungssystem für Polizei, Armee, Feuerwehr, ÄrztInnen u.a. die bis zu 80% des letzten Nettoeinkommens erreichten. Im Ehescheidungsverfahren war ein Versorgungsausgleich unbekannt. Dennoch bekräftigte Kluxen seine eigene Einschätzung: Die Rentenüberleitung war insgesamt ein erfolgreicher Prozess und eine große Kraftanstrengung der Solidargemeinschaft, für die wir sehr dankbar und auf die wir  alle stolz sein können.

Die in der BRD eingerichteten Alterssysteme ordnete Kluxen nach der berufsständigen Zugehörigkeit ihrer Mitglieder ein. So unterschied er die gesetzliche Rentenversicherung für alle ArbeitnehmerInnen, die Beamtenversorgung der Kommunen, der Länder und des Bundes, ferner die freiwillige betriebliche Altersversorgung, die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, die Alterssicherung der Landwirte sowie die Versorgungswerke freie Berufe wie z.B. ÄrztInnen, RechtsanwältInnen oder ApothekerInnen.

BeamtInnenpensionen werden aus dem Steueraufkommen finanziert. Für alle anderen gilt der Grundsatz, dass die Alten nicht mehr verbrauchen dürfen als die Jungen einzahlen.

Dr. Kluxen referierte, dass die Leistungen der aufgezählten Institutionen von mehreren Faktoren abhängig seien, wie z.B. der der Altersstruktur, der Lebens-erwartung, dem Rentenzahlungsbeginn, der durchschnittlichen Rentenbezugs- dauer. Der Gesetzgeber sei fest entschlossen, die existierenden Unterschiede zwischen West- und Ostrente bis 2025 zu beseitigen. Durch die Rentenpakete von 2014 und 2019 seien neue Berentungsmöglichkeiten wie die Rente ab 63 oder die Mütterrente eingeführt worden.  Einig seien sich die Regierungsparteien, dass die Höhe bezogener Renten bis 2040 bei 48% des durchschnittlichen Einkommens zu belassen sei.

Jürgen Böhm klinkte sich im Anschluss in die Thematik ein und bekannte sich vorbehaltslos zur Beibehaltung des Beamtenstatus für Lehrkräfte. Auch am Referendariat dürfe nicht gerüttelt werden. Böhm befürchtet einen Domino-Effekt:  Falle dieser wichtige Ausbildungsabschnitt, stehe auch der Beamtenstatus der Lehrerinnen und Lehrer zur Disposition.

Große Bedeutung gewinne in jüngerer Zeit auch das Thema „Lehrergesundheit“. Viele Lehrkräfte würden am Limit arbeiten und befürchten, die bis zum 67.  Lebensjahr ausgeweitete Dienstzeit früher beenden zu müssen.  Ausdrücklich warnte Böhm vor einer zunehmenden unsachlicher Diskussion um den Vergleich von Renten mit Pensionen. So werde die Durchschnittsrente von 1.224 Euro mit einer Durchschnittspension von 2.600 Euro verglichen. Böhm verwies dazu auf eine Broschüre des dbb, in der die im Umlauf befindlichen Irrtümer nachvollziehbar wiederlegt worden sind.

Im Anschluss unternahm der Bundesvorsitzende einen Streifzug durch mehrere Themen, die den VDR und seine Landesverbände beschäftigen:

Er wies zunächst auf den Weltfrauentag am 8. März hin. Daraufhin forderte er bessere hygienische Maßnahmen an Schulen, da er es für problematisch halte, dass es noch keine Schulschließungen  wegen des Corona-Virus gegeben habe bisher. Einen weiteres Anliegen sei es ihm, die Digitalisierung in Deutschland zu beschleunigen. Dazu gehöre auch eine gute Schulung der Lehrkräfte in digitalen Belangen, damit sie Endgeräte und Software effektiv nutzen können.

Des Weiteren müssten digitale Endgeräte den SchülerInnen zur Verfügung gestellt werden. Böhm erläuterte, dass Pisa-Studien in totalitären Staaten wie China nicht vergleichbar seien mit den Ergebnissen in Europa. Ein weiteres Mal macht der Bundesvorsitzende deutlich, dass er für ein leistungsdifferenziertes Schulsystem eintrete.

Am Nachmittag wurde die Wahl der Seniorenvertreterin / des Seniorenvertreters eingeläutet. Es kandidierten Christa Nicklas und Grete Rhenius. Mit 7 zu 3 Stimmen wurde Christa Nicklas in ihrem Amt bestätigt und wird bis 2022 Bundes-Seniorenvertreterin des VDR sein.

Der Tag klang wieder beim gemeinsamen Abendessen und einem gemütlichen Beisammensein aus.

Am letzten Seminartag referierte Thilo Hommel,  Referent für Beamtenrecht beim Deutschen Beamtenbund in Berlin, über die jüngsten Entwicklungen im Beihilferecht. Vor allem die Förderalismusreform habe, so Hommel, die Zersplitterung der Beihilferegelungen mit verursacht, indem sich in den Bundesländern sehr unterschiedliche Strukturen ausgebildet haben. Bedeutsam sei aus jüngerer Zeit ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Dienstherr im Einzelfall zu Kürzungen im Beihilferecht berechtigt sei, sofern die Beihilfe in ihrem Wesenskern erhalten bleibe. Zurzeit beobachte der dbb sogfältig Entwicklungen und Veränderungen auf  folgenden Gebieten:

Digitalisierung (z.B. App´s zur Beantragung von Beihilfe), die Entwicklung und Erstattungsleistungen und Gebührenordnungen in den medizinischen Berufen. Für die Zahl Pflegebedürftiger erwartet Hommel zeitnah eine Verdoppelung.

Die Bürgerversicherung habe das Ziel ein Versicherungssystem sowohl für die unterschiedlichen gesetzlichen, als auch für alle privaten Kranken-versicherungen zu werden. Zu dieser Bürgerversicherung, die im Bundestag und in den Länderparlamenten vor allem bei Sozialdemokraten und Grünen Zustimmung findet, äußerte sich Hommel ablehnend. Sie biete keine Lösung sondern generiere lediglich neue Probleme.

Zum Ende der Veranstaltung hin, gab Christa Nicklas den Teilnehmenden aus den einzelnen Bundesländern das Wort, die aus der Seniorenarbeit berichteten.

Bayern organisierte 2 Seniorentreffen mit Ausflügen pro Jahr, ebenso Schleswig-Holstein. Auch Nordrhein-Westfalen bietet 2 Seniorentreffen im Jahr und einige Tagesreisen. Hessen organisiert einen Seniorentag.  Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Niedersachsen versenden Geburtstagsbriefe/karten.

Sachsen leidet unter Lehrermangel, stellt bis zu 80% Seiteneinsteiger ein und verbeamtet wieder bis 42 Jahre. In Brandenburg ist die Lehrerversorgung noch gut, weil Berlin z.Z. nicht verbeamtet und Berliner LehrerInnen in Brandenburg unterrichten. Baden-Württemberg kämpft um den Erhalt der eigenständigen Realschule.

Die Seniorenvorsitzende Christa Nicklas bat die Teilnehmenden abschließend darum, zukünftig mit Wilfried Rausch zusammenarbeiten zu dürfen. Alle anwesenden SeniorenInnen stimmten der Bitte zu.

Als Thema für den Seniorentag 2021 sei „Was tun Kommunen für die SeniorenInnen?“ angedacht.

Nach einer kurzen Feedback-Runde zum Seminar, einem gemeinsamen Mittagsessen und der Verabschiedung, traten die VertreterInnen der Bundesländer die Heimreise an.

Wolfgang Stelzer

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