Liebe Kolleginnen und Kollegen an den hessischen Schulen,
Nach Ansicht des VDL Hessen sind die u.a. angekündigten Maßnahmen des Kultusministeriums plausibel: Unterricht vorerst nur für abschlussprüfungsrelevante Jahrgangsstufen sowie Übergangsjahrgänge. Somit beginnt an hessischen Grund,- Haupt-, Real-, Mittel- und Gesamtschulen sowie Gymnasien am 27.04.2020 die Beschulung zunächst für die 4er-, 9er-, 10er- und Q2er-Klassen, wobei die Präsenzbeschulung der 9. und 10. Klassen davon abhängt, ob ein Abschlusstest geschrieben werden soll. Dass die weitere Teilöffnung der Schulen für andere Schuljahrgänge offenbar nicht vor dem 4. Mai geplant ist, gibt den Schulen sowie deren Trägern Raum, notwendige Vorbereitungs- und Planungsarbeiten durchzuführen.
Platzmangel und räumliche Grenzen bei der Aufteilung von Schülerinnen und Schülern vorprogrammiert
Allerdings sind auch vor Aufnahme des Lehrbetriebs in den Schulen zahlreiche Fragen zu klären, wo entweder mit unrealistischen Annahmen gearbeitet wurde oder wo schlicht noch klare Regeln und Konzepte fehlen. Die Vorgaben aus dem Schreiben vom 17.04. gehen „… in der Regel [von] 15 Schülerinnen und Schüler maximal pro Gruppe …und … mindestens 20 Wochenstunden Unterricht…[aus]“; dies dürfte sich nur schwer so realisieren lassen. Insbesondere an Standorten mit über 600 Schülern war das Raumangebot schon vor Beginn der Corona-Pandemie häufig angespannt. Die derzeitigen Klassen müssten, um das Abstandgebot von 1,5 m einhalten zu können, häufig gedrittelt werden, weil in den meisten Räumen nicht mehr als 10 Schülerinnen und Schüler sitzen können. Insoweit dürfte es auch schwierig werden, das geplante Wochenstundenvolumen von 20 Stunden für alle Gruppen umzusetzen.
Der Vorsitzende des VDL Hessen, Jörg Leinberger, führt aus: „Eine realisierbare Umsetzung sehen wir nur dann, wenn wir in einen sogenannten Schichtbetrieb gehen. D.h. eine Gruppe pro Woche hat Unterricht und die andere Homeschooling. In der nächsten Woche dann umgekehrt. Das Ganze kann auch abwechselnd tageweise oder vor- und nachmittags laufen.“
Arbeitsbelastung für die Lehrkräfte steigt durch Wechsel- und Schichtmodelle aus Präsenzunterricht und Homeschooling
Wenn die Lehrer aber nunmehr für zwei Präsenzgruppen und eine Homeschooling-Gruppe, die die Risikogruppen aufnimmt, statt vorher für eine Klasse zuständig sind, wird schnell klar, dass hier noch Wege gefunden werden müssen, um die Arbeitsbelastung der Lehrkräfte auf ein vertretbares Maß zu reduzieren. Für die Heimarbeitszeiten der Schülerinnen und Schüler müssen zudem die technischen Voraussetzungen geschaffen werden. Viele Schülerinnen und Schüler verfügen zwar über ein Smartphone, aber haben nicht unbedingt Zugang zu einem Computer und Internet. Alternativ müssen analoge Angebote geschaffen werden, damit gerade solche Schüler, die zuhause nicht die besten Arbeits- und Lernbedingungen vorfinden und denen möglicherweise überdies die für erfolgreiche Heimarbeit notwendige Unterstützung seitens der Eltern fehlt, nicht weiter abgehängt werden.
Tragbare und realistische Hygienekonzepte fehlen noch gänzlich in den Ausführungen des Ministeriums und der Schulträger
Zudem müssen für den VDL Hessen die hygienischen Anforderungen überprüfbar definiert werden: So muss festgeschrieben sein, welche Anzahl an funktionierenden Waschbecken mit ausreichend Seife und Einmalhandtüchern in der Schule vorhanden sein muss, damit sich alle Schüler täglich mehrfach die Hände waschen können. Ein weiterer Hygieneaspekt besteht in der Bereitstellung von Desinfektionsmitteln in ausreichender Menge, die bereits am Schuleingang zur Verfügung stehen müssen, um die Infektionsgefahr zu minimieren. Auch muss die tägliche Reinigung der Schulen gewährleistet sein. Die Verwendung einer Mund-Nasen-Maske (sog. „Community-Maske“) sollte nach Ansicht des VDL Hessen nicht nur empfohlen, sondern bei Aufenthalt in den geschlossenen Räumen des Schulgebäudes vorgeschrieben werden. Die Beschaffung und die tägliche hygienische Aufarbeitung dieser Masken für die Schülerinnen und Schüler muss in den Händen des Schulträgers liegen.
Konzentration auf die Hauptfächer – Nebenfächer sollten vorerst ausgesetzt werden
Der VDL Hessen hält die Verschiebung der schriftlichen Prüfungstermine für den Hauptschul- und Realschulabschluss auf Ende Mai 2020 für sinnvoll, fordert allerdings, den Fokus in den nächsten Wochen auf die schulische Vorbereitung für die schriftlichen Prüfungen in den Fächern Mathematik, Deutsch und Englisch zu setzen. „Nebenfächer wie Musik oder Kunst könnten im Juni wieder unterrichtet werden“, so Leinberger.
Zentrale Abschlussprüfungen sollen Bestand behalten – Abschlusszeugnisse aussagekräftig belassen
Einer Aussetzung der zentralen Haupt- und Realschulprüfungen (ZAA) erteilt Leinberger jedoch eine klare Absage. „Wenn schon aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise absehbar weniger Betriebe Auszubildende einstellen, wie sollen die verbleibenden Betriebe denn dann noch dazu bewogen werden, Schüler zu nehmen, deren Abschlusszeugnis überhaupt keine Aussage über ihren tatsächlichen Kenntnisstand vermittelt?
Mit wohlwollenden Noten und einer Versetzungsgarantie ist doch hier niemandem geholfen. Die ZAA liefert hier noch eher die notwendigen Informationen, die (zumindest im besten Fall) verlässlich sind; eher jedenfalls als die Noten auf dem Corona-Abschlusszeugnis ohne ZAA“, und Leinberger weiter: „Ein Betrieb, der ohnehin schwankt, ob er Azubis nehmen soll, würde viel eher sagen, lass mal dieses Jahr. Damit wird bei den Schülern eine verlorene Generation geschaffen. Es geht hier nicht nur um eine wohlwollende Behandlung von Schülerinnen und Schülern, die durch die Ereignisse der letzten und auch der kommenden Monate vielleicht irritiert oder sogar verstört sind. Und es geht auch nicht nur um Noten, schon gar nicht, wenn die jeden Aussagewert verlieren. Es geht um Fähigkeiten, Kompetenzen und Kenntnisse, die für den Start in das Berufsleben notwendig sind, und damit verbunden um die Zukunft der jungen Menschen. Hier sind wir gefordert, die Schülerinnen und Schüler dabei zu unterstützen, mit den bestehenden Herausforderungen umzugehen und das Beste aus sich herauszuholen – auch bzw. gerade in den schwierigen Zeiten, die wir gerade haben.“
VDL fordert klare Regelungen, Standards und Verantwortlichkeiten – keinen Raum für Interpretation lassen
Für den VDL-Hessen Vorsitzenden Jörg Leinberger steht insgesamt fest: „Um eine gesundheitlich möglichst sichere, aber auch praktikable Wiederaufnahme des Schulbetriebs zu gewährleisten, müssen genaue Standards und Verantwortlichkeiten benannt sowie Zeit für deren Umsetzung veranschlagt werden. Diese Regelungen sollten auch eindeutig sein und keinen Raum für Interpretationen lassen. Es dürfte jedoch klar sein, dass getroffene Entscheidungen gleichwohl immer wieder hinterfragt werden müssen, dass Konzepte möglicherweise schnell veraltet sind und dass aufgrund des Zeitdrucks immer wieder nachjustiert werden muss. Wir werden mit dem Wandel und flexiblen Reaktionen auf neue Situationen umgehen müssen. Dies kann nur erfolgreich sein, wenn wir, d.h. Elternschaft, Lehrkräfte, Ministerien und Schulämter und nicht zuletzt die Schülerinnen und Schüler, zumindest virtuell enger zusammenrücken und viel untereinander kommunizieren. Zur Unterstützung der Bewältigung dieser Herausforderungen stehen wir als Verband mit unseren Erfahrungen und unserem Engagement allen Beteiligten gerne zur Verfügung.“
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