news4teachers.de 3. September 2015:
„Unverschämtheit“ – Meidinger und Kraus wehren sich gegen Bertelsmann-Studie zur Inklusion
BERLIN. Die Bertelsmann Stiftung hat in einer heute veröffentlichen Studie kritisiert, dass Inklusion vor allem an den weiterführenden Schulen „ein Fremdwort“ sei (news4teachers berichtete bereits gestern) – die Reaktionen darauf fallen heftig aus. Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Philologenverbands, nennt die Behauptung „eine Unverschämtheit“. Und Josef Kraus, der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, meint: „Inklusion ist kein Selbstzweck. Es geht nicht um Quoten, sondern um das Kindeswohl.“
Meidinger befand, die Studie und deren Interpretation durch die Bertelsmann Stiftung bedeute „einen Affront gegenüber den immensen Anstrengungen der Gymnasien, mehr Schülerinnen und Schülern Inklusion zu ermöglichen“. Der Philologen-Chef: „Es gibt inzwischen enorme Fortschritte bei der Inklusion insbesondere von Kindern mit körperlichen Behinderungen, aber auch von anderen Gruppen mit sonderpädagogischem Förderbedarf.“ Die Tatsache, dass an den Gymnasien gegenüber den Grund-, Haupt- und Gesamtschulen die Inklusionsquoten geringer sind, hat nach Aussagen des Verbandsvorsitzenden zwei Ursachen: zum einen seien von den Bundesländern für Gymnasien erheblich weniger personelle und finanzielle Mittel als für andere Schularten zur Verfügung gestellt worden, zum anderen sei am Gymnasium echte Inklusion nur für Schüler möglich, die auch Chancen hätten, das Bildungsziel des Gymnasiums zu erreichen, also das Abitur, so Meidinger.
„Kindern mit geistigen Behinderungen ist nicht gedient, wenn sie an eine Schulart gehen, an der sie mit zwei bis drei Fremdsprachen konfrontiert werden. Das schafft nicht Inklusion, sondern bewirkt Exklusion. Das sieht übrigens auch die große Mehrzahl der betroffenen Eltern so“, betont der Verbandsvorsitzende. Gelingende Inklusion setze überdies voraus, dass die Schulen mittels entsprechender Ausstattung und zusätzlicher, entsprechend qualifizierter Lehrkräfte auch in die Lage versetzt werden, diese Aufgabe zu bewältigen. Das sei derzeit fast in keinem Bundesland ausreichend der Fall. Allein die Beschulung von hör- oder sehgeschädigten Kindern erfordere eine zusätzliche technische Ausstattung in Höhe von rund 100.000 Euro an jedem einzelnen Gymnasium.
Meidinger meint: „Umso höher ist zu bewerten, dass trotz dieser Probleme sich Tausende von Gymnasiallehrkräften tagtäglich der Herausforderung der Inklusion mit großem Engagement stellen. Vorwürfe à la Bertelsmann sind hier völlig fehl am Platze!“
Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, schlägt in die gleiche Kerbe. „Die Bertelsmann Stiftung betreibt einmal mehr einen Zahlen- und Quoten-Fetischismus. Auf der Jagd nach hohen Inklusionsquoten wird nämlich übersehen, dass Inklusion kein Selbstzweck sein kann. Selbst die UN-Konvention zur Inklusion hebt in ihren Grundsätzen explizit auf das Kindeswohl ab“, sagt er. Gewiss gehe es darum, Behinderte in Gesellschaft und Arbeitswelt zu inkludieren. Der Weg dorthin könne aber bei spezifischen Behinderungen nicht der Weg der schulischen Inklusion, sondern nur der der schulischen Differenzierung sein. Kraus: „Zum Beispiel hat Inklusion in eine bestimmte Schulform nur dann einen Sinn, wenn ein behindertes Kind wenigstens halbwegs erkennbar die Chance hat, den Bildungsabschluss dieser Schulform zu erreichen.“
Der Verbandspräsident erklärt weiter: „Ärgerlich am Zahlenpaket der Bertelsmann-Stiftung ist, dass implizit einmal mehr die großartigen Leistungen der Förderschulen in Deutschland in den Schatten gestellt werden. Außerdem findet in vielen Fällen, in denen Schulen von Inklusion sprechen, Inklusion gar nicht statt, weil dann doch in zentralen Fächern differenziert wird.“ Hohe Inklusions-Quoten sprächen nicht unbedingt für eine gut umgesetzte Inklusion, die allen Schülern ausreichende Förderung ermögliche. Mehrere deutsche Länder hätten ihre Inklusionsquoten nämlich vorschnell in die Höhe geschraubt und zahlreiche Förderschulen geschlossen, ohne eine ausreichende Infrastruktur in den Gebäuden, ausreichend allgemein unterrichtende und sonderpädagogische Lehrkräfte und ausreichend Assistenzkräfte an den Regelschulen vorzuhalten. Kraus: „Diese Länder sollten für ihr Sparverhalten nicht noch gelobt werden. Oft haben sie damit eine für zahlreiche Schüler mit und ohne Beeinträchtigung, für Eltern und Lehrkräfte schwierige Situation geschaffen.“
Fazit des Verbandschefs: „Grundsätzlich muss sich die Bertelsmann Stiftung die Frage stellen, ob sie mit ihren inflationär aufgelegten Quotenkolonnen der Bildungsdebatte in Deutschland nicht einen Bärendienst erweist. Je mehr nämlich um Quoten gerungen wird, desto mehr gerät die Debatte um Bildungsqualität in den Hintergrund.“ news4teachers
Von: Presse DPhV 8.9.2015:
Schulische Integration und Förderung von Flüchtlingskindern ist dauerhafte Mammutaufgabe der Bildungspolitik
Warnung, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen – Forderung nach sofortiger Einstellung von 3000 Deutschlehrkräften
Mit Blick auf die Beschulung von Flüchtlingskindern hat der DPhV-Vorsitzende Heinz-Peter Meidinger darauf aufmerksam gemacht, dass die schulische Förderung und gesellschaftliche Integration von Flüchtlingskindern eine enorm große, langfristige bildungspolitische Herausforderung sei, die weit über die jetzt notwendige Einrichtung von Hunderten und Tausenden zusätzlicher Willkommens- und Sprachlernklassen hinausgehe.
Meidinger warnte davor, diese Herausforderung zu unterschätzen und die Versäumnisse und Fehler der Vergangenheit zu wiederholen, die dazu geführt hätten, dass z.B. viele Kinder der zweiten und dritten Generation von Familien mit Migrationshintergrund in Deutschland heute schlechter dastünden als die der ersten Einwanderungsgeneration.
„Wenn man davon ausgeht, dass mindestens die Hälfte der allein in diesem Jahr nach Deutschland gekommenen 200.000 – 250.000 schulpflichtigen Flüchtlingskinder dauerhaft in Deutschland bleiben wird, erfordert dies auch im Hinblick auf eine weiter anhaltende Einwanderungswelle zusätzliche Investitionen ins Bildungssystem in zweistelliger Milliardenhöhe, die weit über das hinausgehen, was für das nächste Jahr den Ländern vom Bund zugesagt worden ist. Auch nach der Integration der Flüchtlingskinder aus den Willkommensklassen in den regulären Schulunterricht werden für viele Jahre zusätzliche Fördermaßnahmen und eine sprachliche Frühförderung für noch nicht schulpflichtige Flüchtlingskinder unabdingbar sein,“ betonte der DPhV-Vorsitzende. Dies könnten nach Ansicht des Deutschen Philologenverbandes viele Länder ohne dauerhafte Hilfe des Bundes nicht stemmen.
„Die gesellschaftliche Integration von Flüchtlingskindern ist eine nationale Aufgabe, damit ist der Bildungsföderalismus überfordert. Ohne zusätzliche Mittel drohen Verschlechterungen bei allen anderen Bildungsprojekten, angefangen von dem verstärkten Ausbau von Ganztagsschulen, der verbesserten individuellen Förderung bis hin zur Inklusion“, bekräftigte Meidinger.
Kurzfristig forderte der Verbandsvorsitzende die Einstellung von rund 3.000 – 4.000 jungen Lehrkräften mit der Lehrbefähigung Deutsch, die derzeit bundesweit noch keine Anstellung gefunden hätten, und deren anschließende berufsbegleitende Weiterqualifikation in „Deutsch als Zweitsprache“. Es sei kaum nachvollziehbar, dass man bestqualifizierte Deutsch- und Englischlehrkräfte arbeitslos auf der Straße stehen lasse, während sie gleichzeitig dringend für die Beschulung von Flüchtlingskindern gebraucht würden, sagte Meidinger.
HAZ 11.09.2015:
Schwache Junge, starke Alte – Schlechtes Zeugnis für die Generation Y: Studie sieht ältere Arbeitnehmer als die wahren Leistungsträger – von Ann-Kathrin Seidel
Was ist nur los mit der Generation Y? Mit jenen 18- bis 35-Jährigen, die sich Erfüllung und Anerkennung wünschen, privat und im Job? Laut einhelliger Meinung sind sie die Crème de la Crème der Arbeitnehmerschaft: leistungsstark und anspruchsvoll, flexibel und ständig auf der Jagd nach neuen Herausforderungen. Aber offensichtlich stimmt das so nicht ganz. Diejenigen, die für Tempo sorgen, sind laut einer aktuellen Studie in Wirklichkeit die Älteren, die Generation 60 plus.
Dabei hatten ältere Arbeitnehmer bislang keinen so guten Ruf. Karriereberater qualifizieren mittlerweile schon Arbeitnehmer ab 45 Jahren als „schwer vermittelbar“ ab. Wie es scheint, lassen sich Unternehmen damit aber die Besten durch die Lappen gehen. Gerade die Generation 60 plus hat offenbar Besseres zu tun, als der Rente entgegenzubummeln. 40 Prozent der Älteren sind nach eigener Aussage „hoch motiviert“ bei der Sache, wie die Jobstudie 2015 der Beratungsgesellschaft EY (ehemals Ernst & Young) ergab. Die Befragung gilt als repräsentativ: EY hat mehr als 2200 Arbeitnehmer befragt.
Schaut man hingegen auf die Ergebnisse der Jüngeren, stellt sich die Frage, ob Vorruhestandsregelungen für Ältere nicht besser ausgesetzt werden sollten. Denn die Vertreter der Generation Y haben eine quasi eingebaute Burn-out-Sperre: Sie geben nur dann richtig Gas, wenn sie von einer Sache voll und ganz überzeugt sind. Nur 26 Prozent der unter 20-Jährigen und 32 Prozent der 21- bis 30-Jährigen gaben an, „hoch motiviert“ bei der Arbeit zu sein.
Sind die gut ausgebildeten Ypsiloner also zu anspruchsvoll, zu schnell frustriert und gelangweilt? Vielleicht führt ein weiteres Ergebnis der Befragung auf die richtige Spur: Überdurchschnittlich hoch war bei den Älteren nicht nur die Motivation, sondern auch die Zufriedenheit mit ihrer Arbeit. Die Jüngeren hingegen beklagen den schnellen Wandel ihrer Branchen und die ewige Unsicherheit ihrer Arbeitsverhältnisse. Die 60-Jährigen sind zumeist noch die klassische Karriereleiter hinaufgeklettert, für einen 30-Jährigen ist heute oft schon eine Vollbeschäftigung der Jackpot der Berufslaufbahn.
nordbayern.de, 11.09.2015:
Pilotprojekt startet an 47 bayrischen Gymnasien
MÜNCHEN – Zu Beginn des neuen Schuljahres geht das Pilotprojekt „Mittelstufe plus“ an 47 Gymnasien in Bayern in die Testphase. Schüler haben dann neun Jahre Zeit bis zum Abitur. Sie durchlaufen die Mittelstufe in vier statt in drei Jahren. Die CSU reagiert mit dem Modellversuch auf die anhaltende Kritik am G8.
Die bayerischen Gymnasiallehrer blicken mit Spannung auf den Pilotversuch mit der sogenannten „Mittelstufe plus“, der am Dienstag an 47 Gymnasien in Bayern startet. Dort können Schüler die Mittelstufe nun in vier statt in drei Jahren durchlaufen. Die Gymnasialzeit verlängert sich also von acht auf neun Jahre.
„Ich blicke mit hohen Erwartungen auf den Versuch. Denn er zeigt, dass viele Schüler und viele Schulen in einer neunjährigen Variante ein gutes Angebot sehen“, sagte der Vorsitzende des Philologenverbands, Max Schmidt, der Deutschen Presse-Agentur in München.
Er habe aber Zweifel, ob das nun wirklich das Modell sei, mit dem die Gymnasien in die Zukunft gehen sollten, fügte er hinzu.
Die CSU hat mit dem Modellversuch auf die jahrelange Kritik am G8 regiert. Nach der zweijährigen Pilotphase soll entschieden werden, wie es weitergehen soll. Der Philologenverband würde lieber grundsätzlich zu einem neunjährigen Gymnasium zurückkehren – und schnelleren Schülern eine um ein Jahr verkürzte Variante anbieten.
kurier.at, 12.09.2015:
Brauchen Buben männliche Lehrer?
Nein, sagen deutsche Forscher. Sie haben jetzt herausgefunden, dass es für den Lernerfolg egal ist, welches Geschlecht der Lehrer hat.
Gerne warnen Bildungsexperten, dass Schülern männliche Vorbilder fehlen, weil der Großteil der Lehrer ja Lehrerinnen seien. Außerdem zeigen Daten, dass Mädchen bei der Schulbildung die Buben überrundet haben: Sie werden im Durchschnitt früher eingeschult, wiederholen seltener eine Klasse und gehen häufiger auf ein Gymnasium. Ob das aber an den vielen Lehrerinnen liegt? Dieses Vorurteil haben jetzt Forscher vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung überprüft.
Marcel Helbig hat eine Überblicksstudie veröffentlicht, in die er 42 Untersuchungen mit Daten zu 2,4 Millionen Schülern aus 41 Ländern einfließen ließ. Ergebnis: Es mache es für die Leistung der Schüler und die Benotung überhaupt keinen Unterschied, ob die Buben von Lehrern oder Lehrerinnen unterrichtet werden.
Mädchen profitieren nicht mehr von Lehrerinnen, Buben nicht mehr von Lehrern: Sie erwerben durch sie weder höhere Kompetenzen, noch erhalten sie bessere Noten oder werden öfter für eine höhere Schulform empfohlen.
Bildungskrise der Buben
„Damit fehlt die empirische Basis für politische Programme, die durch mehr männliche Lehrer die Bildungskrise der Jungen lösen wollen“, wird Helbig in der deutschen „Welt“ zitiert.
Er widerlegt auch die Annahme, dass Jungen sich im historischen Verlauf ungünstiger entwickelt hätten als Mädchen. Die hätten schon immer bessere Noten bekommen.
Warum das so ist? Buben und Mädchen haben unterschiedliche Leistungsbereitschaft. Mädchen seien oft disziplinierter und fleißiger. Das schlage sich natürlich in besseren Noten nieder. „Sich für gute schulische Leistungen anzustrengen und sich selbst zu disziplinieren, passt nicht in das geschlechtstypische Konzept von Männlichkeit“, sagt Helbig.
jenapolis.de, 12.09.2015:
LEHRERVERBAND SCHLÄGT AUSSETZUNG ALLER KLASSENFAHRTEN VOR
„Ministerium muss erst zumutbare Bedingungen schaffen“
Erfurt. Mit einer drastischen Aussage reagierte der Landesvorsitzende des tlv thüringer lehrerverband, Rolf Busch, auf die jetzt bekannt gewordene Kürzung des Budgets für Lehrer-Dienstreisen. „Wenn das so ist, dann sollten alle Klassenfahrten vorerst abgesagt werden!“, so Buschs Kommentar zur aktuellen Lage. Dabei sei der tlv keineswegs gegen das Lernen am anderen Ort, wie es in der Pädagogensprache heißt. „Aber mit diesem letzten Tropfen ist das Fass übergelaufen. Klassenfahrten sind für die Lehrerinnen und Lehrer in Thüringen einfach nicht mehr zumutbar.“
Das Problem, so Busch weiter, sei ein vielschichtiges und „dem tlv schon seit Jahren ein Ärgernis.“ Auch das zwischenzeitlich erwirkte Gerichtsurteil, das den begleitenden Lehrern den Anspruch auf die Erstattung ihrer Reisekosten zusichert, habe daran nichts geändert. Denn gleichzeitig gäbe es eine Verzichtserklärung, deren freiwillige Unterzeichnung die Schule von der Erstattungspflicht entbindet. „Allerdings – und das ist die Crux – darf der Lehrer diese Erklärung nicht unterzeichnen, wenn er weiß, dass kein Geld mehr im Topf ist“, erläutert Busch das Dilemma. Andererseits dürfe die Schulleitung die Reise jedoch nur dann genehmigen, wenn die Kostenübernahme vorher geklärt ist. „Das heißt, wenn das Budget aufgebraucht ist, der Lehrer aber trotzdem auf eigene Kosten mit seiner Klasse fahren möchte und deshalb die Verzichtserklärung unterschreibt, begeht er einen Rechtsbruch. Warum das so ist, weiß das Ministerium allein.“
Der rechtliche Aspekt sei aber nur ein Teil des Problems. „Hinzu kommt ein schier undurchdringlicher Wust an bürokratischem Aufwand beim Abruf der Ministeriumsgelder“, erklärt Busch. „Wenn Ministerin Klaubert jetzt betont, dass in diesem Jahr 240.000 Euro mehr zur Verfügung stehen, als 2014 abgerufen wurden, dann verschweigt sie dabei einen entscheidenden Punkt.“ Tatsächlich seien die Gelder deshalb nicht abgerufen worden, weil die bürokratischen Bedingungen Vorgänge unnötig verkomplizierten. „Das bedeutet aber nicht, dass das Geld nicht gebraucht wurde“, so Busch. „Der Anteil, den Thüringens Lehrer aus eigener Tasche gezahlt haben, ist nämlich deutlich höher als das, was vom Ministerium kam.“ Zu diesen Zuzahlungen seien die Lehrer gezwungen, weil oftmals bei der Buchung der Fahrten die Höhe des Budgets noch gar nicht klar sei. Deshalb könnten viele Dienstreisen von vornherein nur nach Unterzeichnung einer Verzichterklärung vom Schulleiter genehmigt werden.
„Der tlv würde es sehr bedauern, wenn es künftig keine Klassenfahrten mehr gäbe“, stellt Busch klar. Aber damit diese auch für die Lehrer zumutbar seien, müsse das Kultusministerium drei wesentliche Dinge verändern. „Die völlig unsinnige Verzichterklärung muss komplett abgeschafft werden. Es muss ein ausreichend hohes Budget für die Abdeckung der Reisekosten zur Verfügung stehen. Und es muss möglich sein, über diese Gelder rechtzeitig und unbürokratisch zu verfügen.“
Presseerklärung des Verbands Deutscher Realschullehrer am 14. September 2015:
Flüchtlinge: Zeit der „Hau-Ruck“-Aktionen und Sonntagsreden ist zu Ende
Verband Deutscher Realschullehrer fordert langfristiges Integrationskonzept für jugendliche Migranten – Lehrkräfte können Herausforderung nicht alleine schultern
Ein zwischen Bund, Ländern und Kommunen abgestimmtes langfristiges Integrationskonzept für alle schulpflichtigen asylsuchenden Kinder und Jugendlichen forderten der Geschäftsführende Vorstand des Deutschen Realschullehrerverbands (VDR) und die Mitglieder seines Wissenschaftlichen Beirats auf ihrer jährlichen Tagung in Prichsenstadt. „Die Zeit von ‚Hau-Ruck-Aktionen‘ und dem bloßen Einfordern einer ‚Willkommenskultur’ ist definitiv vorbei“, stellte VDR-Bundesvorsitzender Jürgen Böhm klar.
„VDR und Beirat erkennen an, dass die zusätzliche Einstellung von bundesweit über 3000 Lehrkräften für das Fach Deutsch zu Beginn des Schuljahres 2015/16 ein Schritt in die richtige Richtung ist“, so Böhm weiter. Dabei könne es jedoch nicht bleiben, zumal die Finanzierung vielfach nur durch Mittelumschichtungen möglich werde.
Demografische Prognosen lösen sich in Luft auf
„Die Mammutaufgabe der Integration von Hunderttausenden Kindern und Jugendlichen in die deutsche Gesellschaft kann nicht allein auf die Lehrerschaft übertragen werden. Seit Jahren warten die Kollegen auf eine spürbare Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen, die man ihnen aufgrund der erwarteten sinkenden Schülerzahl in Aussicht gestellt hatte. Doch alle demografischen Prognosen lösen sich bundesweit gerade in Luft auf“, so Böhm.
Von der Kultusministerkonferenz, den Kultusverwaltungen der Länder und den Kommunen als Sachleistungsträger erwarten VDR-Vorstand und Beirat ein auf Langfristigkeit angelegtes Konzept, das Lösungen für die folgenden Aufgaben vorsieht:
- Frühestmögliche Bereitstellung von qualitativ hochwertigen Unterrichtsangeboten zum Erwerb von Deutschkenntnissen für schulpflichtige Kinder und Jugendliche, aber auch für erwachsene Migranten
- Vermittlung von sozialen, kulturellen und politischen Grundlagen des europäischen und deutschen Gemeinwesens, um den jungen Menschen die Eingewöhnung und Eingliederung in ihr neues soziales Umfeld bzw. die Arbeitsaufnahme zu erleichtern
- Verbleib der oft traumatisierten jugendlichen und erwachsenen Migranten in Förderklassen und -gruppen bis zur ausreichenden Beherrschung der deutschen Sprache, um danach eine entsprechende Förderung in leistungsspezifischen Bildungsangeboten und in den entsprechenden Schularten zu ermöglichen
- Sofortiger Ausbau eines Fort- und Weiterbildungssystems für Lehrkräfte
- Flankierende Maßnahmen, die den Integrationsprozess unterstützen können: Dazu gehören die Einstellung von Schulpsychologen und Schulsozialarbeitern, aber auch Kontakte ins soziale bzw. gesellschaftliche Umfeld
„Was heute in der Bildung und Integration versäumt wird“, appellierte Böhm an die politisch Verantwortlichen, „wird uns in wenigen Wochen schon dramatisch auf die Füße fallen!“ Unterlassenes verteuere sich zukünftig um ein Mehrfaches. Das Billige werde das Teure, warnte Böhm mit Nachdruck.
fr-online.de, 14.09.2015:
LEHRAMT
„Keine 18-Jährigen unterrichten lassen“
Uni-Präsident Mukherjee über Sinn und Unsinn eines Praxissemesters für Lehrer und ein längeres Studium
Zur Person:
Joybrato Mukherjee ist seit 2009 Präsident der Justus-Liebig-Universität Gießen.
Beim Bildungsgipfel leitete er zusammen mit Wissenschaftsminister Boris Rhein (CDU) die Arbeitsgruppe zur Lehrerbildung. (pgh)
Leichter wird das Unterrichten nicht: Inklusion, Ganztagsangebote, mehr individuelle Förderung und eine steigende Zahl von Kindern und Jugendlichen, die ohne Deutschkenntnisse in die Schulen kommen. Lehrer müssen darauf vorbereitet werden. Und sie müssen die Möglichkeit bekommen, beizeiten zu erkennen, ob der Beruf der richtige für sie ist. Welche Auswirkungen das auf das Studium hat, sagt der Gießener Universitätspräsident Joybrato Mukherjee, selbst ausgebildeter Lehrer.
Was hat der Bildungsgipfel für die Lehrerbildung gebracht?
Wir haben ein systematisches Zusammentragen von Ideen erlebt, wie es dies vorher nicht gegeben hat. Es zeichneten sich dabei mögliche gemeinsame Positionen ab, von denen ich glaube, dass sie langfristig zu konkreten Veränderungen führen können.
Welche sind das?
Es gibt zum Beispiel die Überlegung, das Lehramtsstudium wie die anderen Studiengänge zweistufig zu gestalten und nicht wie bisher einschichtig bis zum Staatsexamen zu führen.
Also Bachelor und Master auch für künftige Lehrer?
Das muss nicht unbedingt Bachelor und Master heißen, wäre aber jedenfalls so angelegt, dass es strukturell eine Stufe gäbe, sei es nun nach vier Semestern wie früher, als es noch eine Zwischenprüfung gab, oder nach sechs Semestern wie bei den Bachelor-Studiengängen.
Wozu soll das gut sein?
Ein wesentlicher Grund für eine solche Stufe ist, dass man so im Studium eine Gelenkstelle hat, bei der wir Studierende beraten können und sie sich selbst vergewissern können, ob der eingeschlagene Weg für sie der richtige ist.
Und wenn nicht?
Dann haben Sie an dieser Gelenkstelle die Möglichkeit sich umzuorientieren. Sie können ein Fachstudium ohne Lehramtsbezug weiterführen oder das Lehramt wechseln. Außerdem könnte man in Mangelfächern an dieser frühen Stelle Seiteneinsteiger ans Lehramt heranführen, die ein Fachstudium begonnen haben. Man muss ohnehin, auch dies haben wir diskutiert, viel stärker als bisher dafür sorgen, dass Studierende eine Rückmeldung bekommen, ob ihr Berufswunsch für sie der richtige ist.
Die Eignung ließe sich ja vielleicht auch schon vor Studienaufnahme testen.
Ja, man könnte sich einen Dreiklang vorstellen: ein verpflichtendes Self-Assessment vor Studienbeginn, eine Eignungsfeststellung mit ausführlicher Beratung während des Studiums und schließlich eine Rückmeldung am Ende des Referendariats. Aber es kann dabei nicht darum gehen, Interessenten vom Studium auszuschließen. Schließlich gibt es das Recht auf freie Berufswahl.
In Frankfurt, Kassel und Gießen beginnt jetzt das Praxissemester. Studierende gehen im dritten Semester für mehrere Monate an Schulen und sollen dort auch unterrichten. Was heißt das für künftige Lehrergenerationen?
Die Meinungen über die Sinnhaftigkeit gehen sehr auseinander. Ich finde es daher gut, das Praxissemester nicht einfach einzuführen, sondern es zunächst in dem von Ihnen beschriebenen Modellversuch zu testen.
Was spricht für ein solches Praxissemester?
Die Befürworter argumentieren, dass Studierende im Studium fast nur theoretische Kenntnisse vermittelt bekämen und der Praxisschock dann viel zu spät, am Ende des Studiums im Referendariat komme. Wer dann erst merkt, dass er ungeeignet ist, hätte in der Tat viel Zeit verloren.
Und was spricht dagegen?
Die Position der Universitäten ist, dass wir den Praxisbezug und die Berufsorientierung wollen, wie in allen anderen Studiengängen auch. Aber das Studium ist eben kein Referendariat light. Der Lehrer hat so einen anspruchsvollen Beruf, dass er eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung in allen Bereichen braucht, in den Fachwissenschaften, in der allgemeinen Didaktik und in der Fachdidaktik. Wenn man das infrage stellt, könnte man Lehrer auch im Rahmen einer Handwerkslehre ausbilden.
Was bedeutet es für die Universität, wenn Studierende drei Monate an Schulen umziehen?
Es ist natürlich eine organisatorische Herausforderung. Die Studierenden sollen ja dennoch in der Regelstudienzeit ihr Studium abschließen können, also alle Module belegen und ihre Credit Points erreichen können wie zuvor. Das führt auch dazu, dass wir andere Praxisphasen, die bisher vorgesehen waren, aufgeben müssen.
Werden die Studierenden während des Praxissemesters von universitärem Personal begleitet?
Vorbereitet und begleitet schon, aber es ist kein Personalaustausch zwischen Schule und Hochschule vorgesehen. Der Modellversuch kann zeigen, ob dies nötig und sinnvoll wäre. Wir stehen aber ohnehin im intensiven Kontakt mit den jeweiligen Schulen, mit denen wir kooperieren.
Lehramtsstudierende im dritten Semester, die sind vielleicht 18 oder 19 Jahre alt. Sind die nicht viel zu jung, zu unreif und auch zu ungebildet, um schon vor einer Klasse stehen zu können?
Ein Studium ist vom Anfang bis zum Ende vor allem eine Persönlichkeitsentwicklung. Wenn ich also einen 18-Jährigen mit einer unausgeformten Lehrerpersönlichkeit und mit überzogenen Erwartungen vor eine Klasse stelle, tue ich wahrscheinlich weder ihm noch den Schülerinnen und Schülern einen Gefallen.
Künftige Lehrer müssen Inklusion bewältigen, noch mehr als heute individuell fördern, es gibt eine steigende Zahl von Seiteneinsteigern, Schulen werden verstärkt zu Ganztagsschulen ausgebaut. Hat das Auswirkungen auf die Studiumsdauer?
Jedenfalls sollte man überlegen, ob es richtig ist, dass jene Lehrer, die sich um die Jüngsten kümmern, das kürzeste Studium haben, während jene, die die Ältesten unterrichten, also etwa an den gymnasialen Oberstufen, das längste Studium absolvieren. In anderen Ländern, deren Schulsystem sehr erfolgreich ist, etwa in Skandinavien, ist das anders. Langfristig sollten alle Lehrämter die gleiche Dauer haben. Das ist zumindest die Position der fünf hessischen Universitäten.
Was bedeuten die gestiegenen Anforderungen an Lehrer für das Referendariat? Muss dies auch länger werden, um zu lernen, das an der Uni Gelernte anzuwenden und zu vertiefen?
Es gibt meines Erachtens keine bestimmte Dauer, die zwingend wäre. Ich denke aber, dass es unter 18 bis 24 Monaten nicht gehen wird, wenn wir an der zweiphasigen Lehrerbildung festhalten.
Genau um diese Zeitspanne dreht sich ja die Diskussion.
Ja, aber man achtet hier zu sehr auf formale Festlegungen, auf bestimmte Monatszahlen. Man muss zunächst darüber sprechen, welche Kompetenzen wann, wo und wie vermittelt werden sollen.
Welche Berührungspunkte gibt es zwischen den Universitäten und den Studienseminaren, die die Referendare gemeinsam mit den Mentoren an den Schulen ausbilden?
Wir tauschen uns regelmäßig aus. Die Studienseminare sind ja die Abnehmer unserer Absolventen, deshalb brauchen wir von dort die Rückmeldung, welche Kompetenzen gut vermittelt wurden und wo etwas fehlt. Diesen Austausch müssen wir verstärken, auch das ist ein Ergebnis der Diskussionen im Bildungsgipfel. Zu häufig wurden Reformen in der ersten oder zweiten Phase umgesetzt, ohne zu berücksichtigen, was diese für die jeweils andere Phase bedeuten. Wir brauchen aber eine Lehrerbildung aus einem Guss.
Was hätten Sie sich an Ergebnissen noch gewünscht?
Dass die Diskussionsergebnisse mehr Verbindlichkeit bekommen hätten und nicht nur als Ideensammlung betrachtet werden.
zeit.de, 15.09.2015:
Computer machen den Unterricht nicht automatisch besser
Eine Pisa-Auswertung zur Computernutzung in Schulen zeigt: Wer Schüler einfach im Internet surfen lässt, hat noch nichts gewonnen. Auf die Lehrer kommt es an.
Computer könnten guten Unterricht noch interessanter machen – das sagen die Autoren einer Pisa-Auswertung zur Computernutzung in Schulen. Aber, und das ist das Überraschende: Schüler, die das Internet und den Computer in der Schule besonders häufig nutzen, können deshalb nicht besser damit umgehen. Und Länder, die viel in neue Computer in den Schulen investiert haben, haben nicht erreicht, dass ihre Schüler bessere Leistungen vorweisen. Computer und Schulen – das Thema ist viel komplizierter, als es sowohl Kritiker als auch Befürworter behaupten. Einfache Lösungen gibt es nicht.
Am besten schnitten in der Studie Länder ab, deren Schüler nur durchschnittlich oft im Internet recherchieren und am Computer Aufgaben lösen – vor den Ländern, die Computer gar nicht einsetzen, aber auch deutlich vor den meisten Ländern, in denen die Schüler Computer täglich nutzen. Verglichen wurden die Leistungen im digitalen Lesen und Navigieren – es wurde also getestet, wie gut die Schüler Onlineinhalte finden und verstehen und wie gut sie relevante und glaubwürdige Seiten von anderen unterscheiden konnten.
Lesen und Mathe ist wichtiger
Die Schüler aus Südkorea und Singapur, die die Rangliste anführen, waren wohl deshalb so gut im Netz unterwegs, weil sie auch sonst im Lesen, in Mathematik und in den Naturwissenschaften gut abschneiden, folgern die Autoren. Nicht jedenfalls, weil die Schule ihnen die besten Geräte (man nahm an, das seien Tablets) stellt oder weil sie besonders viel Unterricht mit Computern haben.
Deutschland hat an dieser Studie nicht teilgenommen. Aber im November 2014, als die CILS (International Computer and Information Literacy Study) erschien, die weltweit die Computerfähigkeiten von Schülern untersucht hat, schämten sich viele Verantwortliche im deutschen Bildungsbetrieb für das Ergebnis. Zwar lagen die deutschen Schüler immerhin im Mittelfeld, wie so oft in internationalen Schulvergleichen, aber deutsche Schulen waren besonders schlecht mit Computern ausgestattet.
So ein reiches Land – aber es schafft es nicht, den Schülern Zugang zu Computern und zum Internet zu verschaffen, hieß es. Und das werde dazu führen, dass wieder die Kinder aus sozial schwachen Familien benachteiligt würden. Denn wer zu Hause keinen Zugang zum Computer hat, hat auch keinen Zugang zu kostenfreier Bildung aus dem Internet, und später fehlen ihm wichtige digitale Kompetenzen.
Computer bringen auch nicht mehr Chancengleichheit
Aber auch zur Chancengleichheit sagt die aktuelle Pisa-Auswertung etwas anderes aus als erwartet: In den meisten OECD-Ländern haben inzwischen weniger als 2 Prozent der Haushalte mit 15-jährigen Kindern keinen Computer zu Hause. Benachteiligte Kinder sind nicht seltener im Internet als andere. Sie profitieren aber trotzdem weniger von dem, was sich ihnen dort bietet. Denn das wichtigste sei gerade auch im Internet, gut lesen und schreiben zu können. Benachteiligte Kinder können das, was sie im Kindergarten und in der Grundschule nicht gelernt haben, nicht durch Surfen im Internet ausgleichen.
Die Autoren der Pisa-Studie sagen: Onlineangebote können vielleicht wirtschaftliche Nachteile mildern, aber die Nachteile, die durch schlechte Chancen in der frühen Kindheit entstanden sind, können sie sogar noch verstärken. Unbegrenzter Zugang zum Internet kann außerdem dazu führen, dass Schüler beispielsweise Texte einfach kopieren und Urheberrechte nicht beachten, dass sie auf Betrüger reinfallen, gemobbt werden – oder schlicht zu wenig schlafen.
Das Internet macht also doch nur faul, dumm und dick? Das sagt die Studie nicht. Auch nicht, dass die Schule sich darauf beschränken soll, die Kinder auf die Gefahren im Internet vorzubereiten.
Gute Ideen für Computer im Unterricht
Denn nicht alle Länder, in denen die Schüler täglich Computer benutzen, schneiden automatisch schlecht ab. Australien ist ein Gegenbeispiel. Hier setzen Lehrer das Internet so ein, dass ihre Schüler Zeit zum Lernen und Üben gewinnen. Und in fast allen Ländern tauschen sich Lehrer online über neue Unterrichtsideen aus. Andere nutzen für ihre Schüler Onlineplattformen, zum Beispiel für virtuelle Labore, intelligente Spiele oder für konkrete Projekte.
Fazit: Nicht jedes Kind braucht sofort ein eigenes Tablet, aber jedes Kind braucht gute Lehrer, die in der Lage sind, Computer so einzusetzen, dass der Unterricht abwechslungsreicher, effektiver und interessanter wird.
bildungslick.de, 17.09.2015:
STUDIE
Aufstiegschancen: sehr gut, Bildungsgerechtigkeit: ungenügend
Bamberger Soziologin Sandra Buchholz untersucht Bildungsungleichheiten im Schulsystem
(pm) Deutsche Schülerinnen und Schüler entscheiden sich deutlich häufiger für alternative Bildungswege als bislang angenommen. Das zeigt die Bamberger Professorin Dr. Sandra Buchholz in einer neuen Studie und stellt fest: „Die Bildungsungleichheit in Deutschland wird dadurch verstärkt.“
Neue Schule, neue Mitschüler, neue Fächer: Damit beginnen in diesen Tagen tausende deutsche Fünftklässler die Haupt- oder Realschule oder das Gymnasium. Welche Schulform sie besuchen, hängt stark vom Elternhaus ab. Deutschland gehört zu den Ländern, denen die PISA-Studien eine besonders große Ungerechtigkeit des Schulsystems bescheinigt haben. Zwei Faktoren unterstützen diese Ungerechtigkeit: Zum einen werden die Kinder bereits im Alter von zehn bis zwölf Jahren auf eine der drei weiterführenden Schulformen festgelegt, zum anderen findet ein Wechsel zwischen diesen weiterführenden Schularten, etwa von der Hauptschule auf die Realschule, vergleichsweise selten statt.
Es gibt zwar seit über 50 Jahren alternative Wege, um einen höheren Abschluss nach dem ersten zu erreichen, doch die Forschung ging bislang davon aus, dass diese nicht von einer breiten Masse genutzt werden. Eine neue Studie der Bamberger Professorin Dr. Sandra Buchholz zeigt: Das Schulsystem ist deutlich durchlässiger als angenommen. Gegen Bildungsungleichheit nützt das aber wenig.
Für ihre Studie wertete die Professorin, die den Lehrstuhl für Soziologie I vertritt, die Daten von mehr als 2.200 Menschen aus. Alle von ihnen hatten als ersten Bildungsabschluss entweder einen Hauptschulabschluss oder die Mittlere Reife erworben. Buchholz und Antonia Schier, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi), einem An-Institut der Universität Bamberg, verwendeten dessen Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS). Dabei handelt es sich um eine langfristig angelegte Längsschnittstudie, die den Bildungserwerb und die Kompetenzentwicklungen vom Kleinkindalter an bis zur Rente misst.
Die Daten zeigen: 27 Prozent der Untersuchten machten nach der Haupt- oder Realschule weiter und erarbeiteten sich einen höheren Abschluss. „Dass fast jeder Dritte sich für einen höheren Schulabschluss entscheidet, hat uns sehr überrascht“, so Buchholz. „Die Wissenschaft nahm an, dass eine unvorteilhafte Zuordnung nach der Grundschule kaum korrigierbar ist. Das deutsche Schulsystem galt bislang als besonders rigide – das ist aber nach diesen Ergebnissen nicht haltbar.“
Das Schulsystem ist also durchlässiger als angenommen. Allerdings zeigte die neue Bamberger Studie deutlich: Nicht unbedingt die begabtesten und fleißigsten Kinder nutzen diese Wege. Besonders wichtig neben guten Noten ist, wie bereits bei der Wahl der weiterführenden Schule, die soziale Herkunft der Kinder. Der Bildungsabschluss der Eltern ist ein sehr einflussreicher und stabiler Faktor für die Wahrscheinlichkeit, dass jemand einen höheren Abschluss nach dem ersten anstrebt. Vier von zehn Schülerinnen und Schülern, deren Eltern das Abitur abgelegt hatten, wählten eine weiterführende Bildung nach dem ersten Abschluss. Hatten die Eltern einen Hauptschulabschluss, lag dieser Wert bei gut 20 Prozent, also lediglich bei der Hälfte.
Die Studie von Buchholz und Schier zeigt: Vor allem diejenigen, die ohnehin privilegierten sozialen Gruppen angehören, nutzen Aufstiegschancen. Das bestehende System reduziert die Ungleichheiten im deutschen Schulsystem also nicht. „Im Gegenteil“, sagt Buchholz. „Es verstärkt sie sogar.“
Weitere Informationen finden Sie unter www.uni-bamberg.de/kommunikation/news/artikel/bildungswege
fr-online.de, 18.09.2015:
Lehrer fühlen sich überlastet
Viele Lehrer in Hessen fühlen sich überlastet. Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU) berichtet auf Anfrage der SPD von 122 Brandbriefen der Schulen.
Lehrerinnen und Lehrer fühlen sich in deutlich höherem Ausmaß überlastet als bisher bekannt. Kultusminister Alexander Lorz (CDU) berichtete jetzt auf eine Anfrage der SPD, dass es 122 Überlastungsanzeigen von Schulen gebe.
Zum Ende des vergangenen Schuljahres waren 53 Schulen bekannt geworden, die solche Beschwerden eingereicht hatten. Sie beklagten sich, dass sie mit dem gleichen Personal immer neue Aufgaben zu bewältigen hätten – Integration und Inklusion, kommentierte Noten oder zusätzliche Erhebungen des Lernstands.
Minister Lorz schrieb dem SPD-Bildungspolitiker Christoph Degen, bei den Beschwerden handele es sich nicht um Überlastungsanzeigen im juristischen Sinne. Es gehe darin nicht „um Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes“. Außerdem seien „keine Vorschläge zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz und in den Schulräumlichkeiten enthalten“.
Die Briefe
122 Schulen haben sich wegen Überlastung ihrer Lehrer an Kultusminister Alexander Lorz (CDU) gewandt. Dabei stellten die Grundschulen mit 91 Briefen den größten Teil.
Aus Wiesbaden und dem Rheingau-Taunus-Kreis (54 Briefe) kamen die meisten Beschwerden, gefolgt von Bergstraße/Odenwald (23) und Offenbach (16). (pit)
Die Forderungen der Lehrkräfte nach einer Verringerung der Pflichtstunden, nach mehr Sozialpädagogen, Psychologen und Förderschullehrern müssten „in anderen Zusammenhängen“ erörtert werden, fügte der Minister hinzu. Die Schulen seien jedenfalls „so gut mit Unterrichtsstunden versorgt wie nie“. So erhielten sie seit zwei Jahren eine Lehrerzuweisung von 105 Prozent.
Sozialdemokrat Degen widersprach. Bei der Berechnung der 105 Prozent arbeite die Regierung mit Tricks. Lorz müsse die Lehrerinnen und Lehrer ernstnehmen, forderte der SPD-Politiker. „Die Anforderungen in der Schule haben sich enorm erhöht“, sagte er. Das betreffe auch die Integration von Flüchtlingen oder den Umgang mit Cybermobbing und anderen Auswirkungen modernen Medienverhaltens.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zeigte sich verärgert über die Antwort des Ministers. „Er müsste als verantwortlicher Minister erkennen, dass das ein Aufschrei der Kolleginnen und Kollegen ist“, sagte Hessens GEW-Chef Jochen Nagel.
Im Vergleich zu anderen Bundesländern sei die Unterrichtszeit für Lehrer in Hessen besonders hoch. Es gebe aber „kein Bemühen der Landesregierung, die Belastung herunterzufahren“, beklagte Nagel.
Schwarz-Grün lehnt Studie ab
Die FDP-Fraktion hatte bereits vor Monaten gefordert, Arbeitsbedingungen und Arbeitsbelastung der Lehrerinnen und Lehrer durch eine wissenschaftliche Erhebung untersuchen zu lassen. „Eine Gesellschaft, die für sich in Anspruch nimmt, dass Bildung und Erziehung der zukünftigen Generationen höchste Priorität haben sollen, kann es sich nicht leisten, motivierte und engagierte Lehrkräfte zu verlieren“, betonte der FDP-Schulpolitiker Wolfgang Greilich.
Die schwarz-grüne Koalition lehnte den Antrag aber im April ab. Man brauche keine „teuren Studien“, sondern müsse „sehen, wo wir Entlastungen hineinbringen können“, sagte der CDU-Abgeordnete Hans-Jürgen Irmer.
Ähnlich argumentierte sein Grünen-Kollege Daniel May. Man müsse „die konkreten Bedingungen an den Schulen verbessern, anstatt irgendwelche Studien auf den Weg zu bringen“, kündigte May im Landtag an.
news4teachers.de, 18.09.2015:
Gymnasiasten bestanden ihr Abitur häufiger
MAINZ. 1,6 Prozent der Gymnasiasten in Rheinland-Pfalz haben im Jahr 2014 ihr Abitur nicht bestanden. Das geht aus einer Antwort des Bildungsministeriums auf eine kleine Anfrage der CDU-Fraktion hervor.
Die Durchfallquoten in anderen Schultypen lagen höher. 3,5 Prozent der Schüler an Integrierten Gesamtschulen fielen durch die Abiturprüfungen, an Berufsbildenden Schulen waren es 4,8 Prozent. Eine geringe Durchfallquote in der Abiturprüfung sei grundsätzlich positiv zu werten und Belege dafür, dass die Schüler gut gefördert würden, hieß es außerdem aus dem Bildungsministerium.
deutschlandfunk.de, 21.09.2015:
Lehrer für Deutsch als Fremdsprache – Lange nicht beachtet und jetzt heiß begehrt
Schlechte Berufsaussichten und geringfügig entlohnt: So sah es bis vor Kurzem noch für Lehrer aus, die Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache unterrichten wollten. Nun hat sich das Blatt gewendet. Durch die wachsende Zahl der Flüchtlinge ist die Nachfrage nach Deutschunterricht für Nicht-Muttersprachler enorm angestiegen.
„DAF-Lehrer auf Abstellgleis. Miserabler Arbeitsmarkt. Lehrermangel.“ Beatrice Richter, die ihren richtigen Namen hier nicht nennen will, sitzt an ihrem Schreibtisch und liest Nachrichten. Sie kennt die aktuellen Schlagzeilen nur zu gut, eigentlich aber muss sie arbeiten.
„Ich bewerte das schriftliche deutsche Sprachdiplom für die Deutsche Stelle für Auslandsschulwesen, natürlich auch auf Honorarbasis.“
Sarkasmus schwingt in Richters Stimme mit. Sie ist DAZ-Lehrerin (Deutsch als Zweitsprache). In ihrem neunjährigen Berufsleben war sie noch nie fest angestellt. Dabei hatte sie große Pläne, als sie damals Ende der 90er-Jahre mit ihrem Magisterstudium anfing: Deutsch als Fremdsprache, Spanisch, KMW. Ihr Traum: Deutsch im Ausland zu unterrichten. Das tat sie auch – in Spanien und Südamerika. Dann änderte sich ihre Lebensplanung.
„Ich hab ein Kind bekommen und dann kam ich an einen Punkt, wo ich dachte, ich möchte einfach in Deutschland bleiben könne, bei meinen Freunden bei meiner Familie und habe dann versucht Stellen zu finden und was feste Stellen anging, konnte ich nur scheitern im DAZ-Bereich.“
Jahrelang hangelt sich Richter von Monat zu Monat. Sie unterrichtet Erwachsene an Volkshochschulen, heuert bei Interdaf an, einem an die Leipziger Universität angegliederter Verein, der Deutsch als Fremdsprache vermittelt. Doch einen festen Job ergattert sie nie. Existenzängste treiben sie um, immer wieder muss sie mit Hartz IV aufstocken. Zwischen 15 und 20 Euro bekommt sie pro Unterrichtsstunde. Der Grund: DAF-Absolventen fehlt das Staatsexamen, sie gelten nicht als „vollständige Lehrer“. Dabei dürfen sie im Ausland sogar an Gymnasien unterrichten. Das niedrige Gehalt aber ist nicht alles, erzählt die 35-Jährige.
„Das Problem an der Sache ist, dass man keine klar geregelten Arbeitszeiten hat. Als Honorarkraftlehrer für DAZ bist du dann hier drei Monate im Kurs, dann hast du wieder drei Monate nichts zu tun, dann musst du wieder einen neuen Kurs finden, das Problem ist auch: Du bekommst kein Geld für Vor- oder Nachbereitung, Klausuren erstellen, Klausuren bewerten – all das wird nicht bezahlt, auch wenn du krank bist oder Urlaub hast.“
Bis zu 20.000 Lehrer fehlen bundesweit
Die DAF/DAZ-Ausbildung ist bundesweit nicht einheitlich geregelt. Den Absolventen blieb der Zugang zu Schulen lange verwehrt. Bis jetzt. Denn seit der steigenden Flüchtlingszahl gibt es ein Problem: Es fehlen zwischen 10.000 und 20.000 qualifizierte Lehrer deutschlandweit, schätzt der Fachverband Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Jahrelang hatte die Politik am Berufsbild DAZ gespart, redete immer von Integration, nur kosten durfte sie nichts. Für Theresa Birnbaum, DAZ-Expertin an der Universität Jena, liegt die Krux in der fehlenden Achtung vor dieser Arbeit.
„Ich denke, dass da im Moment ein gesellschaftliches Umdenken stattfindet. Dass die Schulen auch Quereinsteiger beschäftigen. Da ist es ganz wichtig, dass man eben auch anerkennt, dass das richtige Lehrer sind, die für eine besondere Zielgruppe ausgebildet wurden. Wenn man da Beschäftigungsverhältnisse schafft, die eine gewisse Sicherheit geben und eine Wertschätzung vornimmt, ich denke, dann können wir erst richtige Erfolge erzielen.“
Mit Erfolgen meint sie die schulische Integration von den Kindern, die unsere Zukunft mitgestalten werden. Die deutsche Sprache ist dafür ihr wichtigstes Instrument. Bisher aber ist die Schulabbrecherquote unter Migranten doppelt so hoch wie unter deutschen Kindern, an Gymnasien fehlt es fast gänzlich an DAZ-Lehrern. Der Lehrermangel macht nun kreativ. Allein in Sachsen sind von den 1000 neueingestellten Lehrern 20 Prozent Seiteneinsteiger. Seit diesem Jahr bietet die Leipziger Universität das Lehramtserweiterungsfach Deutsch als Zweitsprache an. Plötzlich erhielt auch Beatrice Richter mehrere Jobangebote, doch sie bleibt skeptisch.
„Das ist natürlich ein schönes Gefühl, ganz klar, aber es macht auch ein komisches Gefühl zu wissen, wenn diese Massen an Flüchtlingen, die im Moment kommen, mal weniger werden und die dann integriert sind und DAZ-Lehrer nicht mehr ganz so dringend gebraucht werden, dann sind wir natürlich die Allerersten, die rausfliegen, davon kann man eigentlich ausgehen.“
Deshalb will Richter ihr Zweitstudium auf Lehramt, dass sie derzeit an der Universität in Halle absolviert, unbedingt beenden. Denn wenn sich am Nischendasein der Sprachausbildung bis dahin nichts geändert haben sollte, ist sie mit dem Staatsexamen auf der sicheren Seite.
deutschlandradiokultur.de, 24.09.2015:
NEUE AUFGABEN FÜR DAS BILDUNGSSYSTEM – Taugen Schulen als Integrationsagenturen?
Von Heike Schmoll
Die Schulen nehmen derzeit viele Flüchtlingskinder auf. Nach Ansicht unserer Autorin Heike Schmoll stehen die Lehranstalten vor einer kaum zu stemmenden Herkulesaufgabe: Ein „neuer Wettbewerb um Bedürftigkeit“ sei bereits ausgebrochen.
Gegenwärtig kommen so viele Flüchtlingskinder in die Schulen, dass kein Land wagt, Zahlen zu nennen oder gar über die künftige Integration nachzudenken. Alle sind damit beschäftigt, den Schulalltag zu bewältigen, der für Flüchtlingskinder spätestens nach sechs Monaten beginnt.
In den ersten drei oder sechs Monaten ist die Schulpflicht ausgesetzt. Das ist insofern sinnvoll, als Flüchtlinge und deren Familien keine Residenzpflicht haben, also von Bundesland zu Bundesland hin- und hergeschoben werden können.
Erschwert wird die Lage dadurch, dass die Schulpflicht in den Ländern unterschiedlich geregelt ist. In den meisten Ländern endet sie mit 17 Jahren.
Das sonst nicht für seine reformerische Vorreiterrolle bekannte Bayern hat aus der Erfahrung mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen gelernt. Dort können Flüchtlinge jetzt bis zum Alter von 25 Jahren eine Schule besuchen. Andernorts reden sich junge Flüchtlinge zwischen 17 und 20 Jahren damit heraus, ihren Pass verloren zu haben, um sich Zugang zur Schule zu verschaffen.
Den Schulen drohen jede Menge Konflikte
Auf die Schulen kommen viele Konflikte zu. Sie sollen Schüler mit unterschiedlichem Bildungshintergrund auf möglichst einen Leistungsstand bringen, Behinderte und Migrantenkinder integrieren. Schon dafür bräuchten sie mehr Lehrer als bisher vorgesehen. Zwar haben die Länder inzwischen Nachtragshaushalte verabschiedet, aber mit mehr Dauerstellen ist nicht zu rechnen. Vielmehr werden pensionierte Deutschlehrer wieder aktiviert oder andere Fachlehrer auf die Schnelle nachqualifiziert.
Obwohl seit Jahren von der Notwendigkeit des Deutschlernens die Rede ist, gibt es noch immer kaum ein Land, das Lehrern in ihrer Ausbildung eine Zusatzqualifikation in Deutsch als Fremdsprache, kurz DaZ, vermittelt. Jetzt werden Hunderte von Lehrern mit Grundkenntnissen vertraut gemacht, ganz gleich, ob sie eigentlich Sport- oder Mathematiklehrer sind.
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, hat den Vorschlag gemacht, arbeitslose Deutschlehrer für DaZ nachzuqualifizieren und sie für Vorbereitungs- und Flüchtlingsklassen einzusetzen. Sie könnten mit Jahresverträgen entlohnt werden und sich nach erfolgreichem Abschluss mehrerer Aufträge einen Bonus für eine künftige Anstellung verdienen.
Der Bildungshunger der Flüchtlingskinder könnte ansteckend sein
Doch was geschieht, wenn der normale Förderunterricht künftig ausfällt, weil der Deutschunterricht für Flüchtlinge vorgeht? Denn es ist ein neuer Wettbewerb um Bedürftigkeit mit ungewissem Ausgang ausgebrochen.
In den Vorbereitungs- oder Willkommensklassen treffen Schüler, die in Syrien ein Gymnasium besucht haben, im Idealfall fließend Englisch können, auf Schüler, die nur arabische Schriftzeichen beherrschen. Vor allem die Syrer haben fast durchgängig ein höheres Bildungsniveau. Insgesamt berichten die Lehrer aus Willkommensklassen von hochmotivierten Schülern. Im besten Fall könnte der Bildungshunger manchen Flüchtlingskindes auf deutsche Kinder ansteckend wirken.
Die ehrgeizige Planung, bei geflüchteten Jugendlichen zwischen 17 und 21 Jahren auf ein Jahr Sprachvorbereitung schon das Berufsvorbereitungsjahr an einer Berufsschule folgen zu lassen, dürfte allerdings nur selten aufgehen. Wer vorher noch nie eine Schule besucht hat, wird mit einem Jahr Deutschvorbereitung nicht imstande sein, sich in der Arbeitswelt mit einem spezifischen Fachwortschatz zurechtzufinden. Hinzu kommt, dass manche muslimische Jugendliche schon in den Jugendämtern Mitarbeiterinnen ablehnen, dasselbe gilt für Lehrerinnen.
Die Schulen stehen vor einer Herkulesaufgabe. Da zählen die lauthals beklagte Belegung der Turnhallen durch Flüchtlinge und der ausfallende Sportunterricht bei ungünstiger Witterung schon zu den kleineren Problemen.
Heike Schmoll, geb. 1962, hat Germanistik und Evangelische Theologie studiert. Anschließend arbeitete sie beim Südwest-Fernsehen in Baden-Baden. Seit 1989 Redakteurin bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dort ist sie verantwortlich für die Seite „Bildungswelten“ und die bildungspolitische Berichterstattung. Heike Schmoll wurde mit dem „Deutschen Sprachpreis“ 2005 ausgezeichnet.
Berliner Morgenpost, 25.09.2015:
STREIT UM DAS GYMNASIUM – Schulleiter fordern drei Jahre Oberstufe bis zum Abitur
Bildungssenatorin verschiebt Änderung des Schulgesetzes auf späteren Zeitpunkt. Oberstudiendirektoren sprechen von „Affront“.
Im Bildungsbereich zeichnet sich ein neuer Streit zwischen den Koalitionsparteien ab. Es geht um eine Änderung des Schulgesetzes, die sicherstellen soll, dass es an den Berliner Gymnasien eine dreijährige gymnasiale Oberstufe gibt. Dies ist eine Festlegung der Kultusministerkonferenz (KMK) und wird von den Berliner Gymnasialdirektoren, aber auch vom Arbeitskreis Bildung der CDU seit Langem gefordert. Die Gesetzesänderung war von der Bildungsverwaltung jetzt angekündigt worden, ist dann aber wieder zurückgenommen worden.
Ralf Treptow, Vorsitzender der Vereinigung der Oberstudiendirektoren, spricht von einem Affront gegen Berlins Gymnasien. „Die Dreijährigkeit der gymnasialen Oberstufe muss auch in einem zwölfjährigen Bildungsgang bis zum Abitur gewahrt werden“, forderte er.
Mittlerer Schulabschluss soll an Gymnasien wegfallen
Nach Einschätzung der Schulpraktiker sei es nötig, die Jahrgangsstufe zehn an den Gymnasien zu stärken, sagte Treptow. Dazu gehöre eine personelle Verstärkung sowie eine inhaltliche Stärkung in Form eines besonderen Lehrplans. Auch unnötige Prüfungen müssten wegfallen. Dazu gehöre der Mittlere Schulabschluss (MSA).
Thorsten Metter, Sprecher von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), sagte, dass es mit der KMK keinen Konflikt wegen der gymnasialen Oberstufe an den Berliner Gymnasien gibt. „Entscheidend ist, dass von Jahrgang fünf bis zwölf mindestens 265 Wochenstunden unterrichtet werden. Das ist in Berlin der Fall.“ Zudem betonte Metter, dass die Jahrgangsstufe zehn in der Praxis längst als gymnasiale Oberstufe gelte. Er fügte hinzu, dass es demnächst durchaus eine entsprechende Änderung des Schulgesetzes geben werde. Allerdings seien noch einige Fragen zu klären wie etwa die, welche Rolle künftig der Mittlere Schulabschluss am Gymnasium spielen solle.
Auch Katrin Schultze-Berndt, Vorsitzende des Arbeitskreises Bildung der CDU, sagte der Berliner Morgenpost, dass es in Berlin endlich eine gesetzliche Reglung zur dreijährigen gymnasialen Oberstufe geben müsse. „Dann ist auch der MSA am Gymnasium nicht mehr nötig“, so Schultze-Berndt. Die Vorbereitung auf diese Prüfung sei reine Zeitverschwendung und halte die Schüler nur auf. 99,7 Prozent der Gymnasiasten würden den MSA ohnehin bestehen. „Das Schulgesetz muss jetzt schnell geändert werden“, forderte die CDU-Politikerin. Berlin dürfe nicht länger die entsprechende Vereinbarung der Kultusministerkonferenz brechen.
Frankfurter Rundschau, 24.09.2015:
Weiteres Gymnasium vor Rückkehr zu G9
Die Gesamtkonferenz der Elly-Heuss-Schule stimmt gegen das „Turbo-Abitur“ und will zu G9 zurückkehren. In Wiesbaden bieten bislang vier der acht Gymnasien ein Abitur nach neun Schuljahren an.
Die Gesamtkonferenz der Elly-Heuss-Schule hat sich für eine Rückkehr zu G9 ausgesprochen. Das bestätigte Schulleiter Uwe Tölle auf Anfrage. Zusätzlich müsse nach dem möglichen Beschluss der Schulkonferenz auch das Schulamt sowie das städtische Schulamt zustimmen, teilte er mit.
Die Rathausfraktion der Grünen wertet das Votum als „Absichtserklärung über die Rückkehr eines weiteren G8-Gymnasiums zu G9“. Diese sei zu begrüßen, schreibt Dorothée Andes-Müller, schulpolitische Sprecherin der Grünen.
Nach wie vor gebe es nicht genügend G9-Plätze, eine Rückkehr der Schulen erfolge nur zähflüssig, heißt es in einer Pressemitteilung.
In Wiesbaden bieten bislang vier der acht Gymnasien ein Abitur nach neun Schuljahren an. Diese sind Diltheyschule, Oranienschule, Gymnasium am Mosbacher Berg und Martin-Niemöller-Schule. Doch diese Kapazitäten reichen laut Grünen-Fraktion nicht aus. „Jedes Jahr zeigt sich aufs Neue, dass in der Landeshauptstadt nicht genügend G9-Plätze angeboten werden. Es ist nur folgerichtig, dass ein weiteres G8-Gymnasium den Rückgang seiner Anmeldezahlen als Votum der Eltern betrachtet und die Konsequenzen zieht.“
Pressemeldung Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder
FLÜCHTLINGSGIPFEL – Statement der Präsidentin der Kultusministerkonferenz und Sächsischen Staatsministerin Brunhild Kurth zum Beschluss zur Asyl- und Flüchtlingspolitik
Berlin, 25.09.2015
(red/pm) Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz Brunhild Kurth begrüßt die Beschlüsse des Asyl-Gipfels: „Die Einigung über die deutsche Asyl- und Flüchtlingspolitik eröffnet den Ländern und Kommunen die Möglichkeit, die derzeitige Situation in ordentliche und geregelte Bahnen zu lenken. Die zusätzlichen finanziellen Spielräume versetzen sie damit auch in die Lage, Prioritäten zugunsten der schulischen Integration und Spracherwerbs zu setzen.
Die Länder können damit beweisen, dass die Bekenntnisse zur enormen Bedeutung des Spracherwerbs für die Integration der Flüchtlingskinder ernst gemeint sind. Die Beschleunigung des Asylverfahrens und das angestrebte Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher ermöglicht zudem die schnellere Integration von Kindern und Jugendlichen in das deutsche Bildungssystem. Wünschenswert ist außerdem, dass mit den zusätzlichen Finanzmitteln auch eine qualitative Verbesserung des schulischen Unterstützungssystems zum Beispiel durch Schulsozialarbeiter und Psychologen möglich wird.“
Ebenso begrüßte die KMK-Präsidentin die personelle Aufstockung der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) des Sekretariats der Kultusministerkonferenz. „Ausländische Bildungsabschlüsse können so schneller anerkannt und eine zügige Integration in den Arbeitsmarkt kann sichergestellt werden“, erklärte Brunhild Kurth.
Brunhild Kurth äußerte die Erwartung, dass die zusätzlichen Mittel durch den Wegfall des Betreuungsgeldes vollständig der Kinderbetreuung zugutekommen. „Die Mittel sind zweckgebunden für die frühkindliche Bildung und Betreuung. Ich gehe davon aus, dass dies in allen Ländern so umgesetzt wird“, so die KMK-Präsidentin.
Ansprechpartner:
Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder
newsteachers.de 29. September 2015:
Sieben Monate nach der Germanwings-Katastrophe: Merkel plant Schulbesuch in Haltern
HALTERN. Bundeskanzlerin Angela Merkel plant sieben Monate nach dem dramatischen Germanwings-Absturz einen Besuch in der Schule in Haltern. Merkel will auch mit den Angehörigen der 16 ums Leben gekommen Schüler sprechen.
Rund sieben Monate nach der Germanwings-Katastrophe will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das Joseph-König-Gymnasium im westfälischen Haltern besuchen. Unter den insgesamt 150 Toten waren 16 Schüler und zwei Lehrerinnen der Schule. Die Feinheiten des für den 20. Oktober geplanten Besuchs seien in der vergangenen Woche abgestimmt worden, sagte ein Stadtsprecher und bestätigte einen Bericht der „Halterner Zeitung“.
Merkel wolle Gespräche mit Schülern, Lehrern und Angehörigen führen. Anschließend werde sie eine Rede auf dem Schulhof halten. Das Bundespresseamt wollte den Termin bislang nicht bestätigen. Die Germanwings-Maschine war am 24. März 2015 auf Flug 4U9525 in den französischen Alpen zerschellt. Der Copilot hatte das Flugzeug nach Ansicht der Ermittler absichtlich in die Katastrophe gesteuert. dpa