Pressemitteilung des VDL Hessen vom 26.06.2020
Fake News: Grundschullehrkräfte sitzen seit Mitte März ohne Beschäftigung in der Sonne
Der VDL Hessen wehrt sich entschieden gegen das Bild, dass medial über Lehrkräfte allgemein und Grundschullehrkräfte im Besonderen gezeichnet wird. Alle hessischen Lehrkräfte haben in den vergangenen Wochen und Monaten Großartiges geleistet und – trotz miserabler dienstlicher digitaler Ausstattung – einen bemerkenswerten Dienst an der Gesellschaft geleistet.
Große Freude an einer hessischen Grundschule am gestrigen Donnerstag. Die Schulleitung berichtet: „Gestern Nachmittag kam die 2. Auflage der Handreichung „Rechtliche Klärungen, Empfehlungen und Informationen zu unterrichtsersetzenden und unterrichtsunterstützenden Lernsituationen“ per Mail aus dem Ministerium. Ich habe keine Ahnung, wann ich diese 48 Seiten noch schnell quer lesen soll.“
Bei ihr laufen nämlich grade die Telefonleitungen heiß, weil Eltern nach Sommercamps fragen, die in diversen Tageszeitungen für den Zeitraum der Sommerferien angepriesen und von den Grundschulen angeboten werden sollen.
„Für deren Vorbereitung bräuchte es aber Zeit, die es momentan nicht gibt“, erklärt Jörg Leinberger, der in engem Austausch mit zahlreichen Schulleitungen steht. „Ein weiteres Förderangebot für schwache Schülerinnen und Schüler macht das Ministerium mit „Ferdi“. Eigentlich ein guter Gedanke, aber für die Diagnostik dafür ist aktuell einfach keine Zeit, da die Klassen wieder voll sitzen. Durch das Ministerium werden öffentlichkeitswirksam Begehrlichkeiten bei den Eltern geweckt, dass Grundschulen noch Weiteres leisten können.“
Leinberger sieht das aber anders. Seit 3 Monaten laufen die Grundschulen, die er kennt, am Limit: Notbetreuung am Wochenende und in den Ferien, ständige Umplanungen bei den Einsatzpläne durch neue Vorgaben aus Wiesbaden, Ausfälle wegen der Risikogruppe, allgemeine Erkrankungen und sonstige Ausfälle. Der Wechsel aus Präsenzunterricht und digital teaching, also zweifache Vorbereitung und Korrektur. Zwei Wochen vor den Ferien noch der Vollbetrieb. Nebenbei noch die Planungen fürs nächste Schuljahr und Zeugnisse. „Wie soll das funktionieren, wenn die Schulleitungen auch noch mit halber Stelle im Unterricht sind?“ fragt sich der Landesvorsitzende des VDL Hessen. „Und warum wird seitens des Ministeriums in der Öffentlichkeit ständig der Eindruck erweckt, dass die Lehrkräfte seit Wochen quasi in Kurzarbeit in der Sonne sitzen und doch eigentlich noch mehr leisten könnten?“
Die Schulleitungen berichten vielerorts, dass viel bewegt worden ist in den letzten Wochen. Der Unterricht in den Kleinklassen im Wechselmodell hat ein individuelles Arbeiten zugelassen, was es so schon lange nicht mehr gab. „Stimmen werden laut, dass der Einsatz von BFZ-Kräften durch Klassen mit maximal 13 Schülerinnen und Schüler deutlich reduziert werden könnte, weil man wesentlich besser auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen könnte“, merkt Leinberger an. „Die Arbeit in den Kleinklassen war bis zu den Sommerferien geplant und dabei hätte es bleiben sollen. Dann wäre auch die Zeit für Ferdi und Ähnliches. Aber so steht jetzt unterm Strich vielerorts ein Fachlehrermangel, weil Klassenteams gebildet werden mussten. In einer Schulform mit einer niedrigen Vollzeitstellen-Quote eine riesige Aufgabe.“
Der VDL Hessen appelliert an das Kultusministerium und die Landesregierung, den Lehrkräften – insbesondere an den Grundschulen – mehr Wertschätzung für die geleistete Arbeit in den vergangenen Wochen entgegen zu bringen, anstatt den Eindruck zu vermitteln, dass noch zusätzliche Kapazitäten für weitere Aufgaben frei verfügbar wären.
Und für das kommende Schuljahr wünscht sich der VDL Hessen kein Forcieren weiterer Fake News zum Arbeitspensum von Lehrkräften mehr, sondern Umsicht, Nachsicht, Wertschätzung und Fürsorge seitens des Dienstherrn.
Frankfurt, den 26.06.2020