Gemeinsame Pressemitteilung des glb, der UL und des VDL zum Schulstart am 11.01.2021 vom 08.01.2021

Schulbeginn in Hessen Wir sind wieder einmal sehr enttäuscht worden!

 

Der Gesamtverband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen in Hessen e.V. (glb), die Arbeitsgemeinschaft der Unabhängigen Lehrer Hessen (UL) und der Verband der Lehrer Hessen (VDL) halten die Hessischen Regelungen zum Schulbeginn für kontraproduktiv und nicht pandemieeinschränkend. Es werden bei den Eltern Erwartungen geweckt, die weder personell, noch durch die digital schlecht ausgestatteten Schulen umzusetzen sind.

 

Welches Signal geht von den Regelungen der hessischen Landesregierung aus?

Wenn die maximale Eskalationsstufe in Hessen erreicht ist und der alles überstrahlende Wunsch aller Verantwortlichen aus Politik und Wissenschaft der ist, die Corona- Pandemie mit einer strengen Eingrenzung von Kontakten in den Griff zu bekommen, dann ist ein, wie auch immer geartetes Präsenzangebot an den Schulen kontraproduktiv. Wir wissen inzwischen, dass Infektionsketten natürlich auch über Kinder und Jugendliche in den Schulen stattfinden. Die nun aufgehobene Präsenzpflicht mit dem einhergehenden Angebot der (Not)Betreuung ist nicht geeignet, die Pandemie in den Griff zu bekommen und dem Bildungsauftrag gerecht zu werden. Denn es ist davon auszugehen, dass keineswegs nur 10-20% aller Schüler*innen in die Schule gehen werden. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass eher 2/3 bis 3/4 der Kinder vom Präsenzangebot Gebrauch machen werden. Schließlich ist nicht von einem Zeitraum von 3 sondern von 15 Tagen die Rede.

Im Vordergrund müssen weiterhin der Schutz und die Gesundheit aller an Schule Beteiligten stehen. In der Schule müssen die gleichen Regelungen wie für den Alltag gelten.

Mit der Entscheidung der Hessischen Landesregierung wurde erneut das RKI und dessen Datenlage nicht berücksichtigt. Aufgrund der Weihnachtsfeiertage und der Tage zwischen den Jahren hat das RKI darauf hingewiesen, dass valide Zahlen erst ab dem 17.01.2021 zu erwarten sind. Die Regelungen der Hessischen Regierung und des Hessischen Kultusministers sind erneut nur kurzfristig ausgerichtet und verlangen von den Schulleitungen Unmögliches. Innerhalb von zwei Tagen soll erneut ausgearbeitet werden, wie alle Eventualitäten unter der Vorgabe der maximalen Eskalationsstufe durchorganisiert werden sollen.

 

Lehrkräfte, Schulleitungen, Schüler*innen und Eltern rätseln – Planungs-Blindflug

Teilweise haben Schulleitungen aufgrund der Verkündungen auf der Pressekonferenz vom 06.01.2021 erste Maßnahmen geplant, die sie dann wieder revidieren mussten, nachdem der dazugehörige Erlass aus dem Kultusministerium kam. Endgültige Planungen können zudem erst erfolgen, wenn klar ist, wie viele Eltern ihre Kinder am 11.01.2021 in die Schule schicken werden.

Unabhängig davon ist die hessische Variante der Präsenzpflichtfreigabe für die Jahrgangsstufen 1-6 und die verpflichtende Anwesenheit der Abschlussklassen nicht mit der Forderung der verschärftenKontakteinschränkungen kompatibel. Wenn in Familien nicht einmal die eigenen Kinder zu Besuch kommen dürfen, weil die Anzahl der zugelassenen Haushalte überschritten wird, ist es aber in den Schulen grundsätzlich zulässig, dass bis zu 30 Kinder einer Klasse mit ihren Lehrkräften (der Begriff subsummiert alle in Schule tätigen Professionen) zusammenkommen können. Ebendiese Kinder, die in den Klassenräumen nebeneinandersitzen, dürfen sich dann allerdings nachmittags nicht mehr treffen. Darüber hinaus dürfen Lehrkräfte dann zumindest während der Schulzeit wieder mit vielen anderen Haushalten (wir denken an eine Größenordnung von mindestens 70 bis über 100 Haushalten pro Tag) für mehrere Stunden in Kontakt treten, was außerhalb des Schulgeländes selbstverständlich nicht mehr gilt.

Die von Kultusminister Prof. Dr. Lorz an die Eltern gerichtete Bitte, die Kinder doch zuhause zu lassen, ist im Hinblick auf die Bemühungen der Pandemieeinschränkung nicht hilfreich und verursacht hessenweit aufgrund der fehlenden Planbarkeit eine nicht überschaubares und dem Bildungsauftrag nicht gerecht werdendes Organisationschaos mit der Möglichkeit von täglich wechselnden Gruppenzusammensetzungen. Die Entscheidungsverantwortung hat das Kultusministerium an die Eltern delegiert. An die Eigenverantwortlichkeit zu appellieren, anstatt Regelungen zu treffen, ist ein Wegducken der Verantwortlichen in Kultusministerium und Landesregierung. Gerade in den Grundschulen könnte dies ein Problem werden.

Außerdem sorgen die Regelungen für ein absolutes Ungleichgewicht unter den verschiedenen Schulformen der hessischen Schulen. Distanzunterricht ist an Grundschulen und weiterführenden Schulen – insbesondere mit einer hohen Anzahl von inklusiv beschulten Schüler*innen – nicht immer problemlos umsetzbar, da Eltern und Schüler*innen aus unterschiedlichen Gründen damit überfordert sind.

Zudem ist die Ausstattung mit mobilen Endgeräten für Schüler*innen nicht bedarfsgerecht vorhanden und lässt so etliche zurück. Fördervereine versuchen diese Lücke an einigen Standorten zu schließen; dieses lobenswerte Engagement kann aber nicht die fehlende Tätigkeit der Landesregierung ersetzen, die sich eigentlich schon längst darum hätte kümmern können und müssen.

 

Beruflichen Schule haben viele Abschlussklassen

Durch die vielen Abschlussklassen sind berufliche Schulen besonders belastet. Hier kommt eine hohe Anzahl von Schüler*innen zusammen. Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass die Schulen entscheiden müssen, ob alle Abschlussklassen beschult werden können. Sollten die räumlichen und personellen Kapazitäten einer beruflichen Schule eine Präsenzbeschulung nicht für alle Abschlussklassen ausreichen, ist zunächst für die Klassen mit zentralen Prüfungen (Berufsschule, Berufliches Gymnasium, Fachoberschule) prioritär Präsenzunterricht anzubieten. In einem zweiten Schritt sind diejenigen Klassen zu berücksichtigen, deren Schüler*innen erfahrungsgemäß die größten Schwierigkeiten im Distanzlernen haben. Dies kann zu Ungleichbehandlung an verschiedenen beruflichen Schulen führen. Insbesondere die Schüler*innen in den Berufsvorbereitungs-, Berufsfachschul- und InteA-Klassen können aus vielfältigen Gründen keineswegs problemlos mit Distanzunterricht umgehen. Sie haben zum Teil erhebliche Schwierigkeiten im Umgang mit den digitalen Medien und kommen aus sozial und finanziell schwachen Familien und nicht alle zugesagten Maßnahmen greifen. Zudem bilden Sprach- und Verständnisschwierigkeiten eine große Hürde und die Schüler*innen benötigen Beständigkeit. Auch Schulabsentismus spielt eine Rolle.

 

Videokonferenzsysteme versus Datenschutzrichtlinie

Darüber hinaus erfüllen die für den Distanzunterricht und die Abstimmung der Lehrkräfteschaft notwendigen Videokonferenzsysteme immer noch nicht die Anforderungen der einschlägigen Datenschutzregelungen. So ist beispielsweise rätselhaft, wie eine Online-Notenkonferenz die notwendigen Ergebnisse erzielen soll, wenn in dieser weder über konkrete Schüler*innen noch über Noten gesprochen werden darf.

So nachvollziehbar der regierungsseitige Versuch der Koppelung von Maßnahmen an Inzidenzen und der Wunsch nach Berücksichtigung besonderer Situationen (stärkerer Betreuungsbedarf jüngerer Schüler*innen, erhöhte Bildungsanforderungen für Abschlussklassen) ist, führt dies weiterhin zu hohen gesundheitlichen Risiken für Lehrer*innen, Schüler*innen und deren Familien und dem völligen Verlust von Planungssicherheit für den Schulstart am 11.01.2021, insbesondere in den Jahrgangsstufen 1-6, was der Bildungsqualität ebenso abträglich ist. Die Grundschulen stehen wieder einmal vor besonderen Schwierigkeiten und Hürden.

 

Sicht des glb, der UL und des VDL:

  • Die hessischen Schulen hätten bis zum 17.01.2021 (d.h. dem Zeitpunkt, zu dem lt. dem RKI verlässliche Zahlen vorliegen sollen) geschlossen bleiben und dann – sofern die Ansteckungszahlen dies zulassen – mit kleinen festen Gruppen (maximal 15 Schüler*innen) in einem Wechselmodell in allen Jahrgängen geöffnet werden sollen, mindestens bis zu den Osterferien (Planungssicherheit).
  • Wenn die Infektionszahlen am 17.01.2021 höher sein sollten als erwartet, dann sollte für alle Schüler*innen für zwei Wochen Distanzunterricht stattfinden und dann – je nach Pandemielage – entweder weiterhin in Distanzunterricht oder im Wechselmodell bis zu den Osterferien gearbeitet werden.

 

Darüber hinaus fordern wir:

  • Frühzeitige Impfangebote für Lehrkräfte
  • stabile und datensichere Videokonferenztools
  • kurzfristige Ausstattung aller Schüler*innen mit Tablets, die einen Zugriff auf die Schulportale ermöglichen, nebst technischem Support
  • ENDLICH eine tatsächliche ZEITNAHE Bereitstellung schnellen Internets und WLANs an den Schulen – das gegenseitige Zuschieben von Verantwortlichkeiten der betroffenen Entscheidungsträger Landesregierung und Schulträger ist hier kontraproduktiv und führt zu keinem Ergebnis.

Was wir im Moment erleben, ist das völlige Organisationschaos. Schulen, Lehrkräfte, Schüler*innen und Eltern werden mit Anforderungen im Regen stehen gelassen, die nicht umsetzbar sind. Zudem mangelt es an Wertschätzung gegenüber den Lehrkräften, deren Gesundheit offenbar wieder weniger relevant ist als die anderer Berufsgruppen. Seit dem Sommer hätten die Voraussetzungen dafür geschaffen werden können, verschiedene Unterrichtsformen umzusetzen – diese Chance wurde vertan.

Mit den von uns oben genannten Punkten wäre es zumindest ermöglicht worden, dass sich die Schulen, die Lehrkräfte, die Eltern und die Schüler*innen auf eine einheitliche Vorgabe einstellen können. Schulen wären auch in der Lage, Spitzen abzufangen und einen Stundenplan zu erstellen, der auf klaren Entscheidungen für eine zumindest mittel- bis längerfristige Planung fußt.

Der Versuch der Landesregierung, den Spagat zwischen Gesundheit und Bildungsqualität hinzubekommen, kann nur als Fehlschlag bezeichnet werden.

Wir sind wieder einmal sehr enttäuscht worden.

 

glb Hessen              Unabhängige Lehrer Hessen                VDL Hessen

Gemeinsame PM glb UL VDL Schulstart Hessen 20210108

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